Atomstrom-Deal mit Sicherheitsrabatt

ENERGIE Um das AKW Biblis A am Netz zu halten, kauft Betreiber RWE Reststrommengen von Eon

Eigentlich war eine Übertragung nach Biblis wegen Sicherheitsdefiziten nicht vorgesehen

BERLIN taz | Der Energiekonzern RWE scheint sich seiner Sache sicher zu sein: Die Düsseldorfer bieten dem Konkurrenten Eon einen dreistelligen Millionenbetrag, um sich für ihr Alt-AKW Biblis Restlaufzeiten einzukaufen. Eon hat noch von dem 2003 vorzeitig stillgelegten Atomkraftwerk in Stade Laufzeitgutschriften, die nach Atomgesetz auf ein anderes AKW übertragen werden können. Die im Atomkonsens definierte Reststrommenge von Biblis A wird in den nächsten Wochen ausgeschöpft werden. Beide Konzerne seien grundsätzlich einig über den Deal, heißt es aus Konzernkreisen.

Ob die Strommenge aus Stade allerdings wirklich nach Biblis übertragen werden kann, ist in Expertenkreisen umstritten: Nach einem schweren Unfall im Dezember 1987 hatten Gutachter den Reaktor unter die Lupe genommen. Als Folge erließ die hessische Finanzaufsicht – damals unter Leitung des heutigen hessischen Finanzministers Karlheinz Weimar (CDU) – im März 1991 insgesamt 49 Auflagen zur Sicherheitsnachrüstung des Reaktors. Unter anderem war der Bau einer unabhängigen Notstandswarte aufgelistet, von der aus der Reaktor auch bei Havarie noch sicher heruntergefahren werden können sollte.

Als SPD und Grüne im Jahr 2000 den Atomausstieg verhandelten, waren die Auflagen immer noch nicht umgesetzt. Im Zuge der Verhandlungen einigten sich Atomaufsicht und RWE auf ein abgespecktes Nachrüstungsprogramm; die Notstandswarte war nicht mehr dabei. „Das war eine Frage der Verhältnismäßigkeit und hing mit der kurzen Restlaufzeit zusammen“, so der damalige Leiter der Bundesatomaufsicht, Wolfgang Renneberg. In einem Anhang zum Atomkonsens erklärte das Bundesumweltministerium seinerzeit, dass der Verzicht auf einen Teil der Auflagen an die Bedingung geknüpft sei, nach Biblis keine Laufzeiten zu übertragen. Wenn dies nun doch passiere, sei eine „Neubewertung“ bezüglich der Sicherheit vorzunehmen, meint Renneberg.

Dass im Fall längerer Laufzeiten deutliche Nachrüstungen notwendig sind, scheint auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) so zu sehen. Er hat ausrechnen lassen, wie teuer moderne Sicherheitsstandards wären. Je nach Dauer der Verlängerung müssten RWE, Eon, Vattenfall und EnBW demnach bis zu 50 Milliarden Euro investieren. Für RWE dürfte die Überweisung eines dreistelligen Millionenbetrags also kaum ausreichen, um Biblis länger am Netz zu halten. NICK REIMER