Verbrecher jagen per Video
: Wohin die Linse schaut

Mit der gewünschten Abschreckung ist es so weit nicht her. Unter dem Auge des Gesetzes lassen Straftäter nicht von ihrem ruchlosen Tun, sie tun es nur woanders. Dort, wo sie von Kameras unbeobachtet sind. Etwas anders aber war auch nicht zu erwarten.

Kommentarvon Sven-Michael Veit

Nach nur einem Monat Reeperbahn auf Film ist selbstredend vor allzu eilfertigen Weisheiten zu warnen. Der Zeitraum ist so kurz, dass Zufälle die Kriminalitätsstatistik beeinflussen können. Zu gering sind die Fallzahlen, um Erkenntnisse in exorbitanten Prozentpunkten glaubhaft auszudrücken.

Dennoch legt schon die erste Monatsbilanz ungesetzlichen Treibens auf St. Pauli nahe, dass die befürchtete Verdrängung real ist. Im Blickfeld der Kameras auf der Reeperbahn passieren weniger Straftaten, in den unkontrollierten Straßen und Plätzen in der zweiten Reihe dafür umso mehr. Daraus lassen sich zwei Erklärungen ableiten:

Zum einen die, dass eine Videoüberwachung tatsächlich wenig bis nichts bringt. Bestenfalls erhöht sie das subjektive Sicherheitsempfinden in der ersten Reihe. Oder aber, dass das polizeiliche St. Pauli-TV ausgeweitet werden muss, damit kein Winkel unausgeleuchtet bleibt. Die Konsequenz wäre irgendwann die Überwachung der ganzen Stadt.

Letztlich ist es ein spekulativer Glaubenskampf über die Frage, wie viele Straftaten wegen der Kameras gar nicht erst verübt wurden. Über die Sichtweise von Polizei und Innenbehörde aber sind Mutmaßungen unnötig.

Die werden weiter linsen.