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Kinder der sexuellen Revolution

Als der Fortschritt seine Unschuld verlor ➤ taz-Dossier SEITE 2–15

Nackte Kinderladenkinder, die das Geschlechtsteil ihres Erziehers untersuchen. Parteitage, auf denen man fordert, Sex mit Kindern zu legalisieren – das reinste Tollhaus. „Wie konntet ihr damals nur?“, fragen die Jüngeren heute. „Es war eine andere Zeit“, antworten die Älteren, die damals dabei gewesen sind. Hat die sexuelle Revolution die Kinder auf dem Gewissen? Oder ist die Debatte von heute hysterisch – ein Versuch, die 68er Bewegung im Nachhinein zu diskreditieren?

Wer auf diese Fragen Antworten finden will, muss erst einmal neue Fragen stellen: Was war eigentlich so „anders“ an der Zeit damals? Wer oder was sollte da genau befreit werden? Es war eine Zeit, in der alle über Sex redeten, Frauen und Homosexuelle ihre Rechte einforderten – während gleichzeitig noch der Kuppeleiparagraf galt und schwuler Sex erst ab 18 erlaubt war. Sexualität wurde als Freiheitsversprechen gesehen. Als eine Kraft, die die seelische Verpanzerung sprengt. Freier Sex – auch für Kinder, lautete die Devise. Sie sollten die Verklemmungen der Erwachsenen gar nicht erst entwickeln. Was davon im Heute ankommt, klingt dann so: Grüne rechtfertigen Pädophilie. Wie fahrlässig war das? Dauerte es zu lange, bis die Pädophilen zurückgedrängt wurden?

Diese taz-Sonderausgabe „Kinder der sexuellen Revolution“ lenkt den Blick noch einmal zurück, um die Debatten von damals zwar mit dem Wissen von heute, aber auch im historischen Kontext zu betrachten:

Wie die Grünen die Zeit heute bewerten (Seite 15). taz-AutorInnen blicken zurück (Seite 5, 8, 9). Die Sexualforscherin Sophinette Becker ordnet die Pädodebatte ein (Seite 7). Zwei Generationen unterhalten sich darüber, wo man Kinder anfassen darf (Seite 2, 3). Der Regisseur Paul-Julien Robert spricht über seine Kindheit in der Kommune von Otto Mühl (Seite 10). Wir haben Wilhelm Reich noch mal gelesen (Seite 4), über schwule Promiskuität nachgedacht (Seite 12) und uns die DDR angeschaut (Seite 13). Ein missbrauchtes Kind erzählt, wie ihn die sexuelle Revolution rettete (Seite 6). Georg Seeßlen untersucht das Phänomen Lolita im Kulturdiskurs (Seite 11). Prominente erzählen von ihrer ganz privaten, kleinen Revolution. Und unsere AutorInnen fahnden in Darkrooms, esoterischen Lebensgemeinschaften und im Puff nach dem Erbe der Befreiung (Seite 14, 15).

NINA APIN, HEIDE OESTREICH

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