tagebuch einer vip-hostess (II)
: Wir lieben unsere VIPs

Nici und ich sind nicht nur Servicekräfte, wir sind Gastgeberinnen. Auch wenn die Schweden uns „Heidi“ rufen

Im Berliner Fifa-06-WM-Olympiastadion sind die Wege ganz schön lang, und man hat immer allerlei zu transportieren. Meine liebe Kollegin Nici aus dem Hospitality-Premium-Bereich arbeitet im Service, und sie muss manchmal, weil irgendwelche Menschen nicht mitdenken, mit first-class-mäßig auf einem Tablett angerichteten leeren Gläsern von einer Bar zur anderen laufen und den Barleuten leere Gläser anbieten.

Selbstverständlich war sie nicht die Einzige, die mit Tabletts voller leerer schwerer Cola-„Kontur-Gläsern“ durch die vermeintliche VIP-Menge geschickt wurde, aber die Letzte, also kassierte sie ’ne Menge genervte Blicke vom Personal an den total mit leeren Gläsern zugepackten Bars.

Schon am Anfang war klar, dass gerade für das Spiel Schweden – Paraguay viele Hospitality- Tickets an die Fifa zurückgegangen waren und wir deshalb bei uns in der Hospitality nicht so viel zu tun haben würden. Aber erst mal Glasversorgung sicherstellen. Ob sich wohl bis ins Orga-Komitee rumgesprochen hat, dass Schweden im Ausland viel (aber nichts aus Cola-Konturgläsern) trinken?

Deshalb wurde in unserem Bereich Personal reduziert – wenn wir eh 8 Euro pro Stunde bekommen, dann können wir auch spielend-rennend doppelt so viele Gäste bedienen wie sonst! Es wurde nämlich doch voll.

Aber ich mag ja die WM und die ganzen vielen internationalen Gäste. Nici mag sie auch. Wir sehen uns als Repräsentanten für Berlin, für deutsche Gast- und Bedienkultur, den Namen unserer Organisation sagen wir nie, immer nur: „Welcome to Berlin!“ So kriegen wir persönlich den Dank und die Plus- und Erinnerungspunkte von den Besuchern, nicht die uns vermietende Organisation, hihi. Nici musste den Gästen ihren Namen nennen und ihnen einen Lanson-Fifa-Champagner oder Fifa-Lanson-Champagner (so ist bestimmt richtiger) reichen und sie anstrahlen und dann im Getränkeservice bedienen.

Anscheinend hatten alle ihre schwedischen Gäste ihre Tickets in irgendeiner Resteverlosung gewonnen und waren vorher noch nie VIP, denn auf die Frage nach Drinks („Would you like a beer, red or white wine?“) kam oft einfach nur ein begeistertes Sieger-„Yes“!

Da Nici eine Servicekraft ist, die sich als Gastgeberin begreift, bringt sie dann natürlich gern alles Alkoholische auf einmal und schaut den gelb-blau dekorierten Männern beim hemmungslosen Zulaufenlassen zu. Auch wenn die ganzen Björns sie immer Heidi riefen und plötzlich, aus Mangel an Spirituosen („Sorry, it’s a sports event, we’re not allowed to serve spirits“) tischeweise nach Rot- und Weißwein auf Eis mit Zitrone und Sprite verlangten und damit Sauereien auf unseren anstrengend zu polierenden Glastischen anrichteten.

Nici macht es mehr Spaß zu putzen als Zuckertütchen zum Feierabend zu zählen, deshalb war das für sie total okay, dass die Björns so kleckerten und dreimal von ihren Stühlen flogen. Die Gäste müssen glücklich sein, obwohl sie garantiert nie wiederkommen werden, und sollen Berlin als Stadt erleben, in der man alles machen darf!

Zum Schluss bekam Nici auch noch Trinkgeld, dass sie nicht annehmen darf, aber solange es niemand sieht … Was erwartet uns backstage, wenn die Deutschen kommen? Lesen Sie es hier. Küsschen! Ihre Caretta van Bango

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