SPIELPLÄTZE (10)
: Viel Sachverstand und Begeisterung

FUSSBALLGUCKEN Spanien gegen Honduras im Club 49 in Kreuzberg

 Ort: Club 49, Ohlauer Straße 31, Kreuzberg. Der Club 49 hat auch einen Blog: http://www.club49-berlin.blogspot.com/

 Sicht: prima. Frauenanteil 37 Prozent.

 Kompetenz: großer Fußballsachverstand, keine Schlandtrottel.

 Nationalismus: Fair, aufmerksam, nicht laut, unterschiedliche Präferenzen. Auch Original Tip & Tap-T-Shirts von 1974.

 Wurst: normal (0,5 Bier für 3,10) bis billlig (Snacks für 1,50).

Die Attraktionskraft der Fußball-WM wird überschätzt. Sonntagmittag schauten sich grad fünf Leute das Paraguay-Spiel auf der großen Leinwand im Lido an. Aber im Club 49 in der Ohlauer Straße guckt man schon immer Fußball. Der Sachverstand ist groß. Kai von Kröcher, der Chef, ist einer der Helden dieser WM. Mittags kommt er in seine Kneipe, zwei Uhr nachts geht er oft erst wieder. Gutgelaunt steht er am Tresen und erzählt von den drei Dicken vom Ordnungsamt, die anfangs der WM vorbeikamen und „Abbauen!“ angeordnet hatten. Als sie zum zweiten Mal kamen, hatte es einen Sitzstreik vor dem Club 49 gegeben. Einmal seien die Ordnungsamtler noch vorbeigekommen, seien aber nicht ausgestiegen.

Die Honduraner haben Probleme, das Spiel zu öffnen. Der expertistische Nürnbergfan dreht den nächsten Joint. Wir sprechen über Kiffen und Fußball. 16 Leute sind im Club, 20 sitzen davor. Das Spiel ist ganz okay. In der 17. Minute fällt das 1:0 für Spanien. Der Fußballsachverstand ist erleichtert. Die Honduraner sind nach vorn beschränkt. Halbzeit.

Aus „Wow’s Ville“ zwei Häuser weiter kommt laute Musik. Ich gehe mit Kai von Kröcher in die provisorische Bar, die nach der WM ein auf Garage und Punk spezialisierter Plattenladen sein wird. Fela Borbone y su Mierdafon steht im Fenster des Ladenlokals und spielt wilden, tollen, angepunkten Psychobilly. Der Klangkörper seiner Gitarre ist ein Pflanzenschutzmittelkanister. Das größtenteils spanische Publikum ist enthusiastisch. Es gibt Fanchöre.

In der 51. Minute fällt das 2:0. In der 57. gibt es eine brillante, von den Zuschauern mit Olé-Rufen begleitete Strafraumkombination der Spanier. Niemand ärgert sich darüber, dass die Spanier darauf verzichten, den Ball auch ins Tor zu schießen. Auch den verschossenen Elfer nimmt man mit Humor.

Immer wieder friert das Bild ein und verschwindet. Niemand ist sauer. Ein Teil der Leute geht raus und schaut sich das Spiel nun vor dem Club 49 an. Dann funktioniert die Übertragung wieder. Die Spanier feiern. Die Übertragung im „Wow’s“ war die schönste seit den Türkei-Spielen vor zwei Jahren. DETLEF KUHLBRODT