Wenn Oma noch einmal Mutter wird

Die Eizellenspende und künstliche Befruchtung machen’s möglich: Die Mütter werden immer älter, und der Fortpflanzungstourismus boomt

„JJ“ wiegt etwa drei Kilogramm, als er im südenglischen Brighton per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblickt. Eigentlich nichts Besonderes. Außergewöhnlich ist jedoch das Alter seiner Mutter. Patricia Rashbrook ist nämlich 62 Jahre alt und damit die älteste Frau, die in England jemals ein Kind bekommen hat.

„JJ“ steht für einen neuen Trend: Dass nämlich immer mehr Frauen im eigentlich unfruchtbaren Alter Kinder bekommen. Dabei werden ständig neue Rekorde gebrochen. Vor vier Jahren brachte eine 58-jährige Frau – ebenfalls Britin – sogar Zwillinge zur Welt; den Altersrekord hält derzeit eine Rumänin, die im Alter von 66 einer Tochter das Leben schenkte.

Patricia Rashbrook hat bereits drei erwachsene Kinder aus früheren Ehen und damit also schon Erfahrungen im Kinderkriegen. Doch die sind prinzipiell keine Voraussetzung. So brachte kürzlich eine 57-jährige US-Amerikanerin Zwillinge zur Welt, ohne jemals vorher ein Kind geboren zu haben.

Wirklich notwendig ist eigentlich nur das, was man auch für andere Geburten braucht: Nämlich eine Gebärmutter zum Austragen des Babys sowie funktionstüchtige Spermien auf der einen sowie eine funktionstüchtige Eizelle auf der anderen Seite. Doch gerade Letzteres ist eigentlich jenseits der Wechseljahre nicht mehr gegeben. Patricia Rashbrook ließ sich daher in Russland eine Spendereizelle einpflanzen.

In Deutschland und England sind Eizellenspenden verboten, in anderen Ländern wie etwa Spanien und Russland sind sie hingegen erlaubt. „Dadurch hat sich ein regelrechter Fortpflanzungstourismus entwickelt“, beklagt Dirk Propping vom Essener Zentrum für Fortpflanzungsmedizin.

In einigen Ländern lassen sich junge Frauen systematisch mit Hormonen behandeln, um ihren Körper zur vermehrten Produktion von Eizellen anzuregen. Die Zellen werden ihnen anschließend per Scheidenpunktion abgenommen, unter Vollnarkose. Dafür gibt es Bares. In Russland 1.000 bis 2.000 Euro, in den USA bis zu 5.000 Dollar. Relativ große Summen, die bereits deutlich machen, dass der Bedarf an Eizellen immer noch größer ist als das Angebot.

Nach ihrer Entnahme werden die Eizellen mit dem Samen des Wunschmannes befruchtet und schließlich in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt, die das Kind bekommen will. Auch sie erhält Hormonpräparate, um die Gebärmutterschleimhaut vorzubereiten. Ansonsten wird nichts unternommen, also auch keine „Verjüngungsmaßnahmen“. „Denn die Gebärmutter altert interessanterweise“, wie Propping ausführt, „sehr viel langsamer als andere Organe des weiblichen Körpers.“ Nebenwirkungen durch die Hormonbehandlung haben die austragenden Frauen ebenfalls nicht zu befürchten – im Unterschied zu den Eizellenspenderinnen, die mit erheblich höheren Dosierungen behandelt werden.

Die Chancen für einen Erfolg des Eizellentransfers stehen gut. 70 bis 80 Prozent der Frauen werden laut Propping direkt schwanger. Und wer beim Erbgut des Spenders auf Nummer sicher gehen und gleich noch Geld sparen will, kann ins benachbarte Holland fahren, um sich dort die Eizelle einer Verwandten, beispielsweise einer Cousine einpflanzen zu lassen. Für etwa 1.500 Euro. Eine Fremdeispende in Spanien kostet demgegenüber fast viermal so viel.

JÖRG ZITTLAU