Ostseepipeline bekommt Druck aus Schweden

Umweltministerin Lena Sommestad spricht von „ernsten Problemen“ für das Meer und seine Bewohner

STOCKHOLM taz ■ In Skandinavien formiert sich der Widerstand gegen die geplante Gaspipeline durch die Ostsee vom russischen Wyborg nach Greifswald. Schwedens Umweltministerin Lena Sommestad sprach am Montag in einem Rundfunkinterview von „ernsten Umweltproblemen“. Die Pipeline muss nach der gegenwärtigen Planung von Schweden genehmigt werden, da sie durch dessen Territorialgewässer verlaufen soll.

Eine erste Leitung, die Europa mit russischem Gas versorgen wird, soll ab 2008 verlegt werden, eine weiteres Parallelrohr einige Jahre später. Laut Kartenskizzen des Pipeline-Konsortiums ist eine Linienführung in unmittelbarer Nähe der schwedischen Ostseeinsel Gotland geplant. Sowohl hier als auch in einem Seegebiet vor der dänischen Insel Bornholm, das die Leitung queren soll, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Munition und chemische Waffen ins Meer versenkt. Die Trasse führt durch Laichgebiete des sowieso im Bestand bedrohten Ostseedorschs und durch teilweise nicht erforschte Meeresbiotope.

Bei der Verlegung der Rohrleitung soll auf 1200 km Länge auf dem Meeresboden eine bis zu 4 Meter tiefe und 15 Meter breite Rinne ausgebaggert werden. Die aufgewühlten, teilweise mit alten Umweltgiften belasteten Bodensegmente würden auf Jahre hinweg in weiten Ostseebereichen den Lebensraum von Fischen und anderen Meereslebewesen zerstören oder beeinträchtigen, meinen Experten. Auf felsigem Untergrund sollen Schluchten und Felsriffe weitflächig „eingeebnet“ werden.

Stockholm ist auch ein bislang wenig diskutiertes Detail der Ostseepipeline ein Dorn im Auge. In regelmäßigen Abständen müssen entlang der Trasse Kompressorstationen errichtet werden, um den Leitungsdruck aufrechtzuerhalten. Ein solcher Turm, ein siebzig Meter hohes Ungetüm, ist beispielsweise östlich der schwedischen Insel Fårö geplant. Eine Platzierung, die laut Umweltministerin Sommestad „keinesfalls akzeptabel“ ist. UmweltschützerInnen haben auch die Frage aufgeworfen, welche Erkenntnisse über die Auswirkungen solcher Kompressorstationen auf die Vogel- und Fischpopulation vorliegen.

Zwar spricht das Konsortium „Nordeuropäische Gaspipeline“ (NEGP) auf seiner Webseite von einer möglichen Abzweigleitung nach Schweden. Doch tatsächlich hat die Regierung Persson klar gemacht, dass man kein Interesse an russischem Erdgas habe. Sie will keine neuen Abhängigkeiten von ausländischen Energiequellen schaffen, sondern hat das ehrgeizige Ziel ausgegeben, sich von diesen in den kommenden Jahrzehnten ganz unabhängig zu machen.

REINHARD WOLFF