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Mitten im KlimawandelKOMMENTAR VON MANFRED KRIENER

Was für ein Wetter! Die Attribute „bedrohlich“ und „beunruhigend“ begleiten den Sahara-Sommer mit der gleichen Konstanz wie die Ratschläge der Apotheker-Zeitung, doch öfter mal die Beine hochzulegen und nasse Tücher aufzuhängen. „Äußerst bedrohlich“ wird die knöcherne Trockenheit in Frankreich eingeschätzt, „sehr bedrohlich“ die erneut dramatische Gletscherschmelze in den Alpen. Brandenburg meldete Ende Juli eine „beunruhigende“ Versteppung, Hamburg-Veddel 38,5 Grad im Schatten. Jetzt werden in New York bei 40 Grad Alte und Schwache in Kühlzentren gebracht. Das Wetter ist zunehmend lebensgefährlich.

Nicht jede Hitzewelle ist ein Indiz für den Klimawandel. Aber wenn die Temperaturrekorde schneller purzeln als die Pins beim Bowlen, dann darf man schon mit einiger Gewissheit behaupten: Wir sind mittendrin im Klimawandel. Das spürt man auch an den Reaktionen der Menschen. Immer öfter wird die Sonne wie ein Feind betrachtet. Natürlich gibt es noch die ewig strahlende TV-Wetterfee, die uns bei hitzerot gefärbter, mit Sonnensymbolen und 38-Grad-Ziffern übersäter Landkarte „einen herrlichen Tag“ verspricht. Doch ein mulmiges Grundgefühl hat die unbedarfte Heiterkeit abgelöst. Statt sonniger Idyllen bestimmen längst Notaggregate und Hitzetote den Wettertalk.

Genau dort, wo jetzt die New Yorker Kühlhäuser anlaufen, hatte Nasa-Klimaforscher James Hansen kürzlich das Jahr 2005 zum weltweit wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen erklärt. Davor waren schon 1998, 2002, 2003 und 2004 jeweils Rekordjahre. Und noch eine Bestmarke: Der CO2-Gehalt der Atmosphäre – das zeigen Bohrkerne der Antarktis – ist der höchste seit 650.000 Jahren. Die USA als Klimavergifter Nummer eins schieben solche Fakten gern beiseite. Dass gerade sie jetzt von der Hitzewelle betroffen sind, wird mancher als höhere Art von Gerechtigkeit empfinden. „Maßvolle Katastrophen“, predigte einst der alte Pastor Niemöller, könnten die Menschheit vielleicht dazu bringen, ihre Restvernunft zu aktivieren. Zu spät dafür ist es nie: Wer auf eine Mauer zurast, sollte auch dann noch bremsen, wenn der Aufprall unvermeidbar ist.

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