Kampf gegen den Terror wird verschärft

Großbritannien will Ermittlern mehr Freiheiten geben – trotz vieler Pannen. Fast 2.000 Terrorverdächtige wurden bisher festgenommen

DUBLIN taz ■ Die Terrorpläne, die in der Nacht zu gestern von Scotland Yard vereitelt worden sind, kommen der britischen Regierung nicht ungelegen. Sie plant für den Herbst weitere einschneidende Anti-Terror-Maßnahmen. Auf bürgerliche Freiheiten könne man dabei keine Rücksichten nehmen, sagte der britische Innenminister John Reid. Menschenrechte wie das Verbot der Internierung, der Zwangsarbeit, der Folter und der Bestrafung ohne Gerichtsverfahren seien zwar nicht falsch, sagte Reid in einer Rede am Mittwoch, aber sie seien für andere Zeiten gemacht.

Die Europäische Menschenrechtskonvention sei vor 50 Jahren verabschiedet worden, um vor faschistischen Staaten zu schützen, aber nun gehe die Gefahr von „faschistischen Individuen“ aus, sagte er. Das hätte noch nicht jeder in Politik, Medien und Gerichtsbarkeit begriffen. „Manchmal muss man kurzfristig verschiedene Freiheiten modifizieren, um ihren Missbrauch durch diejenigen zu verhindern, die gegen unsere grundlegenden Werte sind und alle unsere Freiheiten zerstören wollen.“ Wie diese Modifizierungen aussehen sollen, wird sich Ende des Monats erweisen, wenn ein Gericht über den Fall eines algerischen Terrorverdächtigen entscheidet. Es ist der erste Fall, in dem ein Richter die Vereinbarung mit Algerien bewerten muss, wonach Abgeschobene dort nicht gefoltert oder misshandelt werden dürfen. 30 weitere Verdächtige stehen vor der Ausweisung.

Sollten die Gerichte nicht mitspielen, so hatte Tony Blair angekündigt, müsse man die Gesetze eben ändern. Der Premier will zudem durchsetzen, dass Menschen, die von Gerichten des Landes verwiesen werden, erst dann Berufung gegen das Urteil einlegen können, wenn sie schon deportiert worden sind.

Seit dem Jahr 2000 sind in Großbritannien fast tausend Menschen wegen Terrorverdacht verhaftet worden. Davon kam es in 154 Fällen zur Anklage. Aber der Widerstand von Abgeordneten, Medien und Richtern habe die Handlungsfreiheit der Regierung eingeschränkt, sagte Reid. Das führe dazu, „dass ein ausländischer Terrorist nicht immer angeklagt, abgeschoben oder eingesperrt werden kann“. Vorige Woche hat ein Londoner Gericht den Hausarrest gegen sechs Terrorverdächtige aufgehoben, weil das gegen europäische Menschenrechte verstoße.

Über die Pannen beim Kampf gegen den Terror verlor Reid kein Wort. Voriges Jahr war der Brasilianer Charles de Menezes von der Polizei regelrecht hingerichtet worden, weil man ihn fälschlicherweise für einen Selbstmordattentäter hielt. Der Bericht dazu wird im Herbst veröffentlicht. In einem anderen Fall hat der Beschwerdeausschuss der Polizei den Beamten unlängst einen Persilschein ausgestellt: Im Juni war Mohammed Abdul Kahar durch einen Schuss in die Schulter verletzt worden, als 15 Polizisten sein Haus stürmten. Die Polizei vermutete eine Bombenwerkstatt, fand jedoch nichts. Der Polizist habe nicht gemerkt, dass er geschossen habe, weil er dicke Handschuhe trug, urteilte der Ausschuss. RALF SOTSCHECK