: Kieler müssen weiter zittern
DRITTE FUSSBALL-LIGA Holstein Kiel verpasst beim 0:0 gegen Regensburg großen Schritt gegen den Abstieg
Als der Kieler Trainer Karsten Neitzel partout nicht zur Pressekonferenz erscheinen wollte, sprach schließlich sein Regensburger Kollege Thomas Stratos in sein Mikrofon: „Karsten! Karsten!“ Es klang wie ein Funkspruch auf hoher See, auch wenn Stratos den Zusatz „Bitte kommen!“ höflich wegließ.
Vermutlich hatte Neitzel noch mehr Zeit als gewöhnlich gebraucht, um seine Worte abzuwägen. Nicht, dass es ihm ergeht wie eine Woche zuvor in Heidenheim. „Das kotzt mich alles an“, hatte Neitzel nach dem 0:3 dort ins Mikrofon der ARD-Sportschau geraunzt. „Die Jungs arbeiten, arbeiten – und dann werden sie so vor den Koffer geschissen.“ Adressat der Worte war der Schiedsrichter. Der DFB-Kontrollausschuss ermittelt, Geldstrafe wahrscheinlich.
Nach dem Heimspiel gegen Regensburg nun schlüpfte Neitzel mit einem Lächeln in die Rolle des Schiri-Verstehers. Dabei hatte er in der Schlussphase eines trostlosen 0:0 keinen Spaß mit dem Hamburger Norbert Grudzinski gehabt. Der Referee hatte zunächst den Gästen einen berechtigten Foulelfmeter zugesprochen, den der Verursacher, Kiels Torhüter Niklas Jakusch, gegen Oliver Hein prächtig parierte (79.). Zehn Minuten später blieb auf der anderen Seite der Elfmeterpfiff aus, als Kiels Fabian Arndt nach einem Zweikampf zu Boden ging. Neitzel sprang durch die Coaching-Zone, trat mit dem Fuß gegen die Trainerbank.
Nach dem Abpfiff steuerte er kopfschüttelnd auf Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke zu und fragte: „Ist das noch normal? Warum wird bei uns nicht gepfiffen, als Fabian getroffen wird?“ Eine knappe halbe Stunde versuchte Neitzel auf dem Podium, Gelassenheit auszustrahlen. Erst auf Nachfrage ging er auf die beiden Szenen in den Strafräumen ein. „Beides war aus meiner Position nicht zu sehen. Ich vertraue da auf die Urteile des Schiedsrichters. Es steht mir nicht zu, die Leistung des Schiedsrichters zu beurteilen“, sagte er. Und seine Frage kurz nach dem Abpfiff, ob das alles noch normal sei? „Da habe ich nur etwas in meinen Bart gebrabbelt“, sagte Neitzel.
Der 46 Jahre alte Fußballlehrer wusste natürlich nur zu gut, dass eine Chance vertan war, einen riesigen Schritt in Richtung Klassenerhalt in der Dritten Liga zu vollziehen. Mit einem Sieg wären die Kieler dem Drittletzten Unterhaching bei eindeutig besserem Torverhältnis auf sechs Punkte enteilt. Bei nur noch drei ausstehenden Spielen wäre das für die „Störche“ schon so gut wie der Klassenerhalt gewesen. Nun sind es nur vier Punkte – und Holstein muss weiter zittern. Neitzel: „Es bietet sich jetzt jede Woche die Chance dazu, den Sack zuzumachen. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass uns das gelingt – und wenn es auch erst in Darmstadt dazu kommt.“ – Beim letzten Spiel. Dann würde er wohl auch eine Geldstrafe des DFB gelassen hinnehmen. CHRISTIAN GÖRTZEN
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