„Viel mehr Frauen bei der Polizei“

WAS KOMMT? Gabriele Segeritz ist 40 Jahre alt und Mitglied der Gewerkschaft der Polizei Sie koordiniert das Thema häusliche Gewalt und glaubt, dass bald weitere Themen enttabuisiert werden

„Ich bin gern Polizistin. Im Laufe der Jahren ist das mein Traumberuf geworden. Zurückblickend kann ich sagen: Es hat einen großen Bewusstseinswandel gegeben, gerade in meinem Zuständigkeitsbereich. Vor zehn Jahren hat häusliche Gewalt keinen interessiert. Die Haltung war: Das ist privat. Inzwischen werden 16.000 Ermittlungsverfahren pro Jahr eingeleitet. Und es werden immer mehr. Wenn das keine Veränderung ist!

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten zehn Jahren fortsetzen. Das gilt auch für andere Tabuthemen. Da ist zum Beispiel das große Dunkelfeld sexuelle Gewalt. Da wird noch viel kommen. Die Debatte um sexuellen Missbrauch in Kirchen und Schulen war erst der Anfang.

Das Problem ist: All diese Gewalt, die uns Polizistinnen und Polizisten im Dienst zu Ohren kommt, nehmen wir mit nach Hause. Von uns wird erwartet, immer cool und sachlich zu sein. Das muss sich ändern. Wir brauchen psychologische Unterstützung und Supervision.

Schluss mit der behördlichen Monokultur

Das ist nicht mein einziger Wunsch für die nächsten Jahre. Immerhin ist Berlin ein Zentrum interkulturellen Lebens. Ich finde es schade, dass sich das nicht in der Polizei widerspiegelt. Bei den Bezirksämtern ist das ähnlich. Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen mit Migrationshintergrund entscheiden, zur Polizei zu gehen. Dass sie mehr Mut fassen, sich zu bewerben. Dass sie sich nach der ersten Ablehnung nicht geschlagen geben. Es fehlen junge Menschen, egal woher sie kommen. Die Monokultur in den Behörden muss aufgebrochen werden.

Und ich wünsche mir viel mehr Frauen bei der Polizei. Berlin ist zwar das Bundesland mit dem höchsten Frauenanteil bei der Polizei. Im Moment sind wir bei etwa 27 Prozent. Aber es könnte mehr sein, machen wir uns nichts vor.

Ich selbst habe es gut. Ich habe Gleitzeit. Aber Schutzpolizistinnen mit einer vollen Stelle und Schichtdienst haben es schwer. Auf Kinder oder pflegebedürftige Eltern nimmt der Dienstherr keine Rücksicht. Viele Männer in den höheren Etagen sind da unglaublich stur. Wenn die eigene Frau zu Hause bleibt, um die Kinder großzuziehen, lässt es sich leicht reden. Aber diese Zeiten sind vorbei. Es ist Aufgabe des Dienstherrn, den Frauen einen Weg aufzuzeigen, wie sie Familienleben und Beruf vereinbaren können. In zehn Jahren wird das kein Thema mehr sein.

Ich habe keine Kinder, hätte aber gern welche. Auch das steht im kommenden Jahrzent an.“

PROTOKOLL: PLUTONIA PLARRE

Foto: Polizei