Ein kompliziertes Verhältnis

THRILLER Vom ostdeutschen Havelland in die algerische Kabylei führt die Odyssee um die Folgen deutscher Rüstungsexporte in Oliver Bottinis aktuellem Kriminalroman „Ein paar Tage Licht“

Ralf Eley hätte die letzten Monate seines Jobs in Algerien lieber anders verbracht. Gerne wäre er mit der Richterin Amel Samraoui noch einmal in eine marokkanische Touristenhochburg gefahren, wo sie ihre heimliche Liebe wenigstens offen leben könnten. Doch dann wird ein Manager der Rüstungsschmiede Meininger Rau aus Altniederndorf entführt, und für den Verbindungsmann des Bundeskriminalamts beginnt eine Odyssee, die ihn in eine gefährliche algerische Berberregion, in die brandenburgische Provinz sowie nach Berlin führt. Und die ihn beinahe das Leben kostet.

Das schwäbische Altniederndorf ist auf keiner Landkarte zu finden und eine Rüstungsfirma namens Meininger Rau gibt es auch nicht. Trotzdem könnte die Welt, in der BKA-Mann Eley agiert, kaum wirklichkeitsgetreuer sein. Fiktion und Realität verschwimmen in Oliver Bottinis „Ein paar Tage Licht“ zu einem spannenden Kriminalroman, in dem man einiges über die Dynamik von Rüstungsgeschäften lernen kann. Da setzen Abgeordnete mit fragwürdigen Methoden die Interessen von Gewehrherstellern in den Bundesministerien durch und ein Waffenlobbyist verabredet seine Deals in alkoholgeschwängerten Schützenvereinsfesten oder Berliner Nobelpartys. In Algerien versucht Meininger Rau den Markt zu erobern. Der größte Konkurrent des Unternehmens ist, wie könnte es anders sein, der schwäbische Kleinwaffenhersteller Heckler & Koch.

Den Tatort wählte Bottini nicht zufällig. Algerien ist derzeit einer der größten Kunden deutscher Waffenschmieden. Der Autor lässt seinen BKA-Mann dort auf eigene Kappe ermitteln. Aufgeregte Anrufe vom Botschafter und Vorgaben algerischer Behörden interessieren Eley nicht. Er baut auf alte Bekannte, auf Geheimdienstler etwa oder auf den NGO-Aktivisten Lyon Rigal. Und er zweifelt daran, dass der Manager tatsächlich von Terroristen der AQMI, der al-Qaida im Maghreb, entführt wurde. Aber wer sonst könnte in dem von Befreiungs- und Bürgerkrieg traumatisierten Land ein Interesse an einer weiteren gewalttätigen Eskalation haben? Revolutionäre? Viel Hoffnung lässt Bottini nicht. „Die Demokraten vertreiben die Diktatoren und schaffen Raum für neue, schlimmere Systeme“, lässt er Rigal sagen und zeichnet ein tristes Bild der repressiven algerischen Geschichte.

Vom Havelland in die algerische Kabylei, vom Berliner Krisenreaktionszentrum nach Algier – Bottini wechselt ständig die Handlungsorte, ohne dabei zu verwirren. Er spart sich langatmige Beschreibungen bürokratischer Strukturen und stellt trotzdem hervorragend das komplizierte und korrupte Geflecht von Käufern, Händlern und politischen Hintermännern des Waffenbusiness dar. Figuren wie die Idealistin Katharina Prinz helfen ihm, interne Widersprüche aufzuzeigen, anstatt in plumpe Schwarz-Weiß-Szenarien zu verfallen. Die Maghreb-Beauftragte des Auswärtigen Amts war Botschafterin in Algerien und kämpft dafür, dass der Waffenbauer aus Altniederndorf keine Gewehre in die Krisenregion ausführen darf. Doch das könnte sie Kopf und Kragen kosten.

Und dann ist da natürlich noch Eleys kompliziertes Verhältnis zu Amel Samraoui. Sein Job geht bald zu Ende, doch weder im traditionell geprägten Algerien noch in Deutschland haben die beiden eine gemeinsame Zukunft. Zunächst stellt sich aber sowieso eine andere Frage: Kann seine algerische Geliebte, die als Richterin den Fall bearbeitet, helfen, den Entführten zu finden? Oder spielt sie ein ganz anderes Spiel? Bottinis Krimi kann es zweifellos mit den besseren Romanen von Don Winslow aufnehmen: Spannend, gut aufgeschrieben und wie die seines US-Kollegen verdammt realistisch.

WOLF-DIETER VOGEL

■ Oliver Bottini: „Ein paar Tage Licht“. Dumont Buchverlag, Köln 2014. 512 Seiten, 19,99 Euro