: Getanzte Statements zur Wohnwut
JUNIPARK In Neukölln zeigen Künstler und junge Berliner bis Ende des Monats Performances und Theaterstücke – basierend auf einer Umfrage zu jungem Wohnen
VON JULIANE SCHUMACHER
Ein hohes Metallgerüst, versteckt hinter Bäumen – manch einer, der vom Tempelhofer Feld Richtung Hermannstraße läuft, mag sich schon gefragt haben, was das wird. Es wird nicht mehr, es ist schon: Auf der Brachfläche an der Neuköllner Oderstraße findet noch bis Ende Juni das „Stadt-Kunst-Projekt“ Junipark statt.
Künstler und Unterstützer aus dem Umfeld des Kulturzentrums Schlesische Straße 27 haben im letzten Sommer begonnen, sich mit dem Thema Jugend und Wohnen in Berlin auseinanderzusetzen. Im Rahmen der Kampagne „Wohnwut“ befragten 19 junge Menschen Gleichaltrige zum Thema Wohnen. 350 Interviews haben sie geführt, 60 Stunden Audiomaterial aufgenommen. Was tun mit all diesen Geschichten, Statements, Informationen? Einen Teil haben die Veranstalter in einer Broschüre veröffentlicht – im Rahmen des jetzt laufenden Projektes Junipark werden die Ergebnisse der Umfrage noch einmal künstlerisch verarbeitet.
Das Architektenteam von raumlaborberlin, das auch mit dem Hebbel am Ufer (HAU) arbeitet, hat die Gerüstkonstruktion gestaltet, die den Rahmen und Ort für das Projekt bildet. Die Ergebnisse der Interviews wurden an verschiedene Künstlergruppen vergeben, die daraus eine Vielzahl von Veranstaltungen gemacht haben: Bauwerkstätten, Performances, Diskussionen, Installationen. Musiktheater-Stücke wie „Bye Bye Berlin“ von Franziska Seeberg sind dabei entstanden, Schüler verschiedener Schulen quer durch die Stadt gehen etwa musikalisch der Frage nach, was ihnen und ihrem Kiez fehlen würde, wenn sie umziehen müssten. Besucher können mit dem Musikproduzenten Marco Merz den Junipark-Song gestalten und aufnehmen, und schließlich soll das Gerüst den ganzen Monat über weiter gebaut und gestaltet werden.
Eine derjenigen, die diese Veranstaltungen gestaltet, ist Anna Maier. Die 28-Jährige hat auch Interviews geführt, nun zeigt sie die Ergebnisse als Tanz, in Form einer Performance der Twenty Seven Dance Monkeys. Maier ist schon Längerem im Kulturzentrum Schlesische Straße aktiv, darüber ist sie auch zu dem Thema gekommen. „Ich bin ja selbst eine Zugezogene“, sagt sie. Vor sechs Jahren ist sie aus Augsburg nach Neukölln gezogen, für das Soziale Jahr zunächst, dann zum Studium geblieben. „Das, was da in der Nachbarschaft passiert, die Verdrängung, die Angst, das geht ja nicht spurlos an einem vorüber.“ Sie habe ihren Kiez „liebgewonnen“, wolle nicht eine von denen sein, die kommen, Berlin genießen und dann so etwas wie Zerstörung hinterließen.
Kein eigenes Zimmer
In alle Viertel ist sie mit der Umfrage gekommen, hat mit den verschiedensten Jugendlichen gesprochen. Eine große Bandbreite, sagt sie, von jungen Menschen, die enorm darunter leiden, dass sie kein eigenes Zimmer haben, nicht ausziehen können, sich schon im Voraus fürchten vor den Bewerbungssituationen mit 80 anderen bei der Wohnungsbesichtigung bis hin zu migrantischen Jugendlichen, die die inhaltliche Frage gar nicht verstanden hätten: „Die meinten dann: Wieso sollte ich ausziehen oder ein eigenes Zimmer haben wollen? Ist doch total schön, bei der Familie zu wohnen!“
Überrascht hat Maier, dass doch die meisten sehr pragmatisch mit der Situation umgehen, wie wenig utopische Wünsche die meisten haben. Die, die dann davon träumen, etwas aufzubauen, Hausprojekte, ganz andere Arten von Wohnen, das seien dann doch eher Studenten.
„Wir wollen die Ergebnisse der Umfragen stärker in die Öffentlichkeit tragen“, sagt Anna Paffenholz, eine der beiden Projektleiterinnen. Das Projekt soll „den Stimmen der Jugendlichen noch mal ein Forum geben, die ja einerseits mit am meisten unter den steigenden Mieten leiden – und sich zugleich durchaus bewusst sind, wie sehr sie zu dem Image von Berlin als junge und hippe Stadt beitragen“.
■ Mehr Infos und Programm: wohnwuts27.wordpress.com/junipark/
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