In Uniform gegen den Einheitslook

TRANSMEDIALE I Beim „Facebook Resistance“-Workshop proben die Teilnehmer den Ausbruch aus dem vorgegebenen Einheitsrahmen – und kommen doch über Designfragen nicht hinaus

Im Kampf gegen die Einheitlichkeit tippen sie ihre Ideen in ihre einheitlich weißen MacBooks

„Das Design von Facebook ist wie die Einrichtung eines Ikea-Wohnzimmers: Die einzige Individualität liegt in dem Familienfoto im Billy-Regal.“ Erregt läuft der Kommunikationsdesigner Tobias Leingruber auf und ab und erklärt dabei seinen Zuhörern die Nachteile des weltweit größten sozialen Netzwerks. „Facebook Resistance“ heißt Leingrubers dreistündiger Workshop im Rahmen der Transmediale. Hinter ihm ist auf einer Leinwand ein gewöhnliches Facebook-Profil abgebildet. Langweilig findet es der junge Internetaktivist – sein Workshop soll das ändern.

In einem Punkt sind sich die rund 40 Teilnehmer einig: Ohne Facebook geht es nicht. Mit seiner einfachen Handhabung, die für Leingruber das Erfolgsrezept des sozialen Netzwerks darstellt, ist Facebook mit 600 Millionen Nutzern unübertroffen. Doch gerade diese Einfachheit soll hier bekämpft werden. „Mehr Individualität“, fordern Leingruber und sein Transmediale-Publikum. Das eigene Facebook-Profil soll bunter, lauter, ausgefallener werden. Wie, das zeigt Leingruber, der zu Beginn eigene, ältere Arbeiten zeigt. Sein Vortrag gleicht einem gemütlichen Beisammensein mit Freunden, die sich gegenseitig YouTube-Videos vorspielen. Nach einer halben Stunde geht der Vortragende, der sich selbst als Nerd bezeichnet, zum technischen Teil über: Wie kann man sein Facebook-Profil praktisch verändern? „Es ist eigentlich ganz leicht“, erklärt er. „Mit einer einfachen JavaScript-Modifikation im lokalen Browser kann man mit Add-ons oder Extensions den Browser fehlleiten.“

Während der 26-Jährige in Programmiersprache Anweisungen in einen Quelltext schreibt, kehren die ersten zehn Teilnehmer dem Detailreichtum den Rücken und verlassen nach einer Stunde die Widerstandsgruppe. Der Rest widmet sich dem kreativen Teil des Workshops. In drei Gruppen wird zwei Stunden lang über Ideen und Wünsche diskutiert, das eigene Facebook-Profil zu verändern. Die Teilnehmer sind aus ganz Europa angereist und tauschen sich über ihre Visionen für mehr Individualität im Netz aus. Im Kampf gegen die Einheitlichkeit auf Facebook tippen sie ihre Ideen in ihre einheitlich weißen MacBooks. „Das ist echt peinlich, dass wir alle die gleichen Laptops haben“, bemerkt eine Teilnehmerin aus Deutschland.

Eine Gruppe diskutiert darüber, Facebook für einen Massenaufstand zu benutzen. „Wir brauchen Ton, damit man den Aufschrei der Masse auch hören kann“, fordert ein Teilnehmer aus Amsterdam. Der Tisch nebenan unternimmt erste Versuche, das gesamte Facebook-Design über Bord zu werfen und ihm den Stil einer Onlinezeitung zu verpassen. In einer anderen Ecke wird über die Möglichkeit eines transsexuellen Profils diskutiert. „Es darf nicht mehr gefragt werden, ob du männlich oder weiblich bist. Es muss auch ein Dazwischen geben“, fordert eine Teilnehmerin aus Polen. Ihre Ideen sammeln die Widerstandskämpfer in einer dafür angelegten Facebook-Gruppe. Aus ihnen möchte Tobias Leingruber eine im Internet frei zugängliche Software entwickeln. Diese soll es in Zukunft möglich machen, das eigene Profil persönlicher zu gestalten. Leingruber möchte Facebook nicht von Grund auf angreifen. „Ich will nur die Sachen verändern, die ich nicht mag.“ Vor allem stört ihn, dass Facebook in seinem Chat viele Ausdrücke zensiert. „Wenn mir danach ist, will ich auch fuck sagen dürfen“, sagt er. Facebook einfach verlassen – das möchte allerdings keiner der Teilnehmer. Leingruber erklärt, warum: „Du musst bei Facebook sein, denn alle sind bei Facebook. Ich will schließlich wissen, was um mich rum passiert. JANINA TREBING