: Dear, dear, dear, dear Santa Fe
Die Stadt in New Mexico verkörpert den wahren „American Spirit“, irgendwo zwischen Natur und Authentizität. Es ist die Hochburg des New Age Americana. Keine andere amerikanische Stadt weist aber auch eine solche Dichte an Museen auf
von MONIKA SENSENBRENNER
„Think rain“ steht auf dem handgemalten Schild unseres mit bizarren Kakteen bepflanzten Vorgärtchen, das zu dem „Bed and Breakfast“ gehört, in dem wir uns einquartiert haben. Es ist umgeben von einer hohen Adobe-Mauer, und die durchgetretene, breite Holzveranda scheint aus der Siedlerzeit zu stammen. Fehlen nur die Pferde. Sie sind durch eine Sammlung alter Norton-Motorräder ersetzt. Das erste Haus am Platz ist das berühmte La Fonda, in dessen Clocktower man die besten Sonnenuntergänge mit den besten Margueritas der Stadt genießen kann.
Um sich entfalten zu können, benötigt der amerikanische Geist die Weite einer Ranch. Und so haben in der Umgebung von Santa Fe berühmte und betuchte Zeitgenossen wie der omnipräsente Bill Gates oder Pretty Woman Julia Roberts eine spektakuläre Ranch erworben. Vor ihnen war der englische Schriftsteller D. H. Lawrence in Begleitung seiner Frau in die reine Luft der Berge geflohen, um seine Tuberkulose auszukurieren.
Santa Fe, der Stadt, und santa-fe, der Eisenbahn, die zu ihr führt, sind zahllose Songs gewidmet: „Dear, dear, dear, dear, dear santa-fe“ lautet Bob Dylans Refrain, während Frank Sinatras Stimme ein bodenständiges Timbre annimmt, wenn er singt:“ I never thought I’d see the day, when I ever took a ride on the santa-fe … What a thrill, what a great big wonderful thrill“
Die Stadt verkörpert ein Amerika mit Vergangenheit. Besonders fasziniert sind die Franzosen, denn schließlich war der erste Bischof Santa Fes ein französischer Geistlicher namens Jean Baptiste Lamy, ein Mann, der die Stadt aus Lehm mit einem Touch französischer Baukunst veredelte. Keine andere amerikanische Stadt weist eine solche Dichte an Museen, Galerien, Boutiquen und Restaurants auf wie Santa Fe, wo angeblich jeder sechste mit Kunst zu tun hat. In den USA rangiert der Kunstmarkt von Santa Fe an dritter Stelle, gleich nach New York und Los Angeles. Und Kunst verbindet sich hier mit einer grandiosen Natur, die nicht nur die Kulisse für unzählige Western lieferte, sondern auch viele Maler inspirierte, Georgia O’Keeffe zum Beispiel, die das Archaisch-Auratische der Landschaft auf ihre Leinwände bannte. Zu sehen sind ihre Bilder im Georgia O’Keeffe Museum.
Bereits 10000 vor Christus gab es in New Mexico nomadische Indianer, die später sesshaft wurden und sich als geniale Architekten erwiesen. Das beste Beispiel hierfür ist das 1100 erbaute Taos Pueblo im Norden von Santa Fe, ein kubistisch anmutendes Weltkulturerbe aus mehrstöckigen, ineinander verschachtelten Adobe-Gebäuden. (Adobe ist Lehm von Flussufern).
Von 1400 bis 1600 drangen vom Norden her Navajos und Apachen ein, mit denen sich die spanischen Konquistadoren erbitterte Kämpfe lieferten. 1589 war es dann soweit: Der spanische Konquistador Don Pedro de Peralta gründete die Stadt Santa Fe, die 1680, nach einer erfolgreichen Revolte, zwölf Jahre lang von Pueblo-Indianern beherrscht wurde, bis die Spanier ihre Reconquista starteten.
Die Santa-Fe-Expedition war der Versuch der unabhängigen Republik Texas, sich New Mexico einzuverleiben. Er missglückte, und die Texaner mussten zu Fuß nach Mexiko-Stadt laufen, um dort vor ihrem Richter zu erscheinen. Dieser Gewaltmarsch nennt sich „La Jornada del Muerto“ oder „Dead Man’s Walk“ (der Marsch des toten Mannes). Die Route selbst hieß „Camino Real“, der „Highway des Königs“, der bereits zur Zeit der Azteken Santa Fe mit Mexiko-Stadt verband. Inzwischen fährt man jedoch auf dem Panamerican Highway durch eine Landschaft, die zur Hälfte aus Himmel und Wolken besteht. Western Feeling.
Das gibt es auch zu kaufen: Handgenähte Western Wear bekommt man bei „Back at the Ranch“, bei „James Reid Ltd.“, oder wenn’s ein Hut sein soll, bei „Kevin O’Farell Hats“. Kontemporäre Cowgirls kleiden sich bei „Nathalie“ ein und trinken ihr mexikanisches Bier in der Cowgirl Hall of Fame. In Bars wie dem „G-Spot“ hört man Latino Jazz, Mariachi-Musik, Flamenco, Country in allen Varianten, Funk und Punk.
In New Mexico leben die Nachfahren der spanischen Siedler und der europäischen Einwanderer, der omnipräsenten Mexikaner. Schon immer lebten dort die Native Americans: Pueblo-Indianer, Komanchen, Navajos und Apachen. In ihren Dörfern fertigen sie Satteldecken, Ponchos, Keramik. Vor allem aber betreiben sie bombastische Spielkasinos im Adobe-Look, denn nur sie können auf ihren Gebieten die Konzessionen erwerben. Ein äußerst lukratives Geschäft!
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