: SchülerInnen wollen kräftiger mitmischen
■ Sehnsucht nach mehr Mitbestimmung – Meinungsbild zum Schulverfassungsgesetz
„Peter hat immer panische Angst vor Klausuren, deshalb die schlechten Zensuren; aber am Unterricht beteiligt er sich immer sehr rege“, verteidigt Klassensprecher Axel seinen Mitschüler. Der Englisch-Lehrer sieht das anders: Peters Aussprache lasse doch zu wünschen übrig. Er plädierte für die Note fünf. „Könnte man ihn nicht noch einmal mit einer Vier davonkommen lassen, verbunden mit der Auflage, am nächsten Schüleraustausch teilzunehmen; so etwas wirkt ja manchmal Motivationswunder“, ist die Meinung einer Elternvertreterin. Nach eingehender Diskussion entscheiden sich die LehrerInnen für die bessere Zensur.
Noch ist diese Szene Fiktion. Nach dem Entwurf zum neuen Schulverfassungsgesetz der Schulbehörde könnten Zeugniskonferenzen aber künftig so ähnlich ablaufen. Eltern- und SchülervertreterInnen sollen beratend an den alles entscheidenden Konferenzen teilnehmen können.
Für Mitglieder der SchülerInnenkammer Hamburg ist dies keine erstrebenswerte Neuerung. „Die Lehrer würden doch nie offen über ihre Notengebung diskutieren“, bezweifelt Vorstandsmitglied Steven Galling. Die Zeugniskonferenzen verkämen dann zu reinen „Abstimmungsautomaten“, befürchtet die SchülerInnenvertretung.
Ihre Stellungnahme ist eine von rund 460 Meinungen zum Entwurf des Schulverfassungsgesetzes – von Einzelpersonen, Eltern-, SchülerInnen- und LehrerInnenvertretungen, SchulleiterInnen, Kirchen und der Handelskammer –, die bis zum 21. November bei der Schulbehörde eingingen. Nach dem Beteiligungsverfahren soll der Schulgesetzentwurf vor der Sommerpause in die Bürgerschaft eingebracht werden.
Erste Bilanz der Behörde: Trotz aller Kritik wurde die Zielrichtung des Entwurfs, die schulische Selbstverwaltung zu erweitern und Eltern und SchülerInnen in die Entscheidungsprozesse stärker einzubeziehen, überwiegend begrüßt.
Die SchülerInnenkammer sieht viele Forderungen nach mehr Schülerrechten erfüllt. „Sie können aber noch weiter gedacht werden“, sagt Steven Galling. Weil LehrerInnen und Eltern nach seinen Erfahrungen dazu neigten, sich in Gremien gegen SchülerInnen zu verbünden, sollte die Position der SchülerInnen in der Schulkonferenz, die künftig die Schalt- und Waltzentrale einer Schule sein soll, gestärkt werden. Die Bedenken, SchülerInnen würden durch die Kompetenzerweiterungen überfordert, teilt Galling keineswegs: „Schüler sehnen sich insbesondere in der Übergangsphase ins Erwachsenenleben danach, in der Politik mitzumischen.“
Größere Mitwirkungsrechte begrüßt auch die Elternkammer. Gesetzliche Rahmenbedingungen wie eine zeitweilige Freistellung vom Arbeitsplatz müßten aber sicherstellen, daß auch Berufstätige dieses größere Engagement aufbringen könnten.
Mehr Demokratie an den Schulen lasse sich nicht von heute auf morgen einführen, gibt die GEW zu bedenken. Sie spricht sich für mehr Macht für die Schulkonferenz aus. Dies setze aber „hochmotivierte“ SchülerInnen- und Elternvertretungen voraus. Der Eingewöhnungsprozeß könnte durch Fortbildung in Sachen Selbstverwaltung und Selbstgestaltung, wie sie die Volkshochschule anbietet, gefördert werden.
Sehr skeptisch äußert sich dagegen der Deutsche Lehrerverband Hamburg über das basisnahe Verfassungsmodell. Er befürchtet schnell wechselnde Beschlußlagen, partikulare Interessen sowie einen Verlust an Professionalität und Vergleichbarkeit. Patricia Faller
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