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: Ausgefranste Pupillen, Narben und Blässe

„The Returned/ „In the Flesh“ (Spanien, Kanada 2013; Großbritannien 2013)

Im Kern sind diese Geschichten Parabeln über die mehr oder minder unmögliche Reintegration dessen, was weg, wenn nicht tot war

Sie waren tot. Sie waren untot. Und nun leben sie wieder. Es war schlimm, dass sie starben. Es war schlimmer, dass sie von den Toten erstanden und ihre Mitmenschen fraßen. Für manchen jedoch ist es am schlimmsten, dass sie nun wieder da sind, als wäre nichts gewesen, dass sie zurück wollen ins Leben, aus dem sie verschwanden. Alle, die Abschied nahmen, die durch Trauer gingen und durch Hass, sehen sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, den Abschied zu vergessen, die Trauerarbeit zu beenden und den Hass so weit zurückzunehmen, dass das Arrangement mit den nun wieder Lebenden möglich wird.

Diese Geschichte von Zombies, die tot waren – und/oder untot – und jetzt mehr Lebende als Tote sind, aber doch keine Menschen wie du und ich, ist die Prämisse einer verblüffenden Menge neuerer Produktionen, in Fernsehen und Film: Plötzlich wimmelt es von Wiedergängern in allen möglichen Variationen. „Les revenants“ (2012, zweite Staffel in Arbeit) aus Frankreich ist das mit Abstand subtilste dieser Werke, eine der gruseligsten und schlausten Serien der letzten Jahre. Noch vor dem US-Remake, das in diesem Jahr produziert wird, lief in Amerika die Serie „The Resurrection“ an – auch hier kehren Tote plötzlich zurück, als wären die Jahre der Abwesenheit nicht gewesen.

Am Anfang dieser Welle von Updates alter Revenantenlegenden stand wohl der Film „Les revenants“ von 2004, auf den sich die französische Serie ausdrücklich beruft.

Sicher nicht das letzte Wort zur Sache ist der Kinofilm „The Returned – Weder Zombies noch Menschen“, eine spanisch-kanadische Koproduktion, die den Sachverhalt in eine Mischung aus Horror und Politparabel verschiebt. Hier geht es um Menschen, die Zombies waren, nun aber dank eines Medikaments ganz normal und von den Gesunden nicht unterscheidbar im Leben zurück sind. Problem nur: Sie brauchen die tägliche Spritze. Größeres Problem: Das Medikament lässt sich nicht mehr in hinreichenden Mengen produzieren. Ohne Spritze aber werden die Menschen wieder zu Zombies. Ohnehin weht in der mit den Wiedergängern konfrontierten Gesellschaft ein sehr rauer Wind; es haben sich längst rassistische Widerstandsgruppen formiert, die die Returned (so heißen sie auch in der deutschen Pornosynchro) abschieben, wegsperren, wenn nicht gleich umbringen wollen.

Sehr viel interessanter geht die BBC-Serie „In the Flesh“ das Phänomen an. Die Revenanten sind wiederhergestellt und sind es doch nicht. Die Ambivalenz ist hier schon an ihren Gesichtern und Augen ablesbar: Sie sind durch ausgefranste Pupillen, durch Narben, Linien und Blässe von der Verwesung gezeichnet und schminken sich, um in der feindlichen Kleinstadtöffentlichkeit nicht aufzufallen.

Auch hier geht es um rassistische Ausgrenzung des Fremden, das umso unheimlicher ist, als es zugleich vertraut scheint. Das Schöne an der Reihe „In the Flesh“ ist, dass diese Unauflösbarkeit von Vertrautheit und Fremdheit im Zentrum steht und die erste Staffel sie in einer doppelten Sohnesgeschichte so konsequent wie gnadenlos durchbuchstabiert.

Im Kern sind diese Geschichten Parabeln über die mehr oder minder unmögliche Reintegration dessen, was weg, wenn nicht tot war, sei es als Kriegsheimkehrer-Allegorie („In the Flesh“ deutet das an – und „Homeland“ kommt dem aus dieser Perspektive nahe), sei es als Meditation über die Unfähigkeit, Abschied zu nehmen.

Es schadet überhaupt nicht, dass diese Parabeln mit Genremomenten, mit Gore und Metaphysik durchsetzt sind. Im Gegenteil: So ergeben sich immer neue, faszinierende Varianten handfester Gesellschaftskörperspekulation. EKKEHARD KNÖRER

■ „The Returned – Weder Zombies noch Menschen“ gibt es ab rund 10 Euro im Handel. Die beiden Staffeln der Serie „In the Flesh“ bekommt man aus Großbritannien, z. B. bei amazon.co.uk für rund 20 Euro (plus Porto)