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Die gitarristische House-Organisation

■ Eine discokubistische Drum-und-Rhythmus-Nacht mit Rinôçérôse, I:Cube und Kid Loco

Vor vier, fünf Jahren gab es immer eine riesengroße Fete, wenn plötzlich ein deftiges Pop-Album aus Frankreich auf dem Plattenteller lag. Zuviel Murks war man ansonsten von dort gewohnt, zu viel Fischterrine und zu wenig Hummerschenkel: eigenartiges Crossover-Zeugs (Musik, die klang wie Alan Vega meets Serge Gainsbourg oder Jonny Halliday on Acid), komische Rockbands (Warum Joe oder Les Thugs) und nur wenig smarte Clubmusik (St. Germain oder Dimitri from Paris).

1996 aber brachten Etiènne de Crecy und Philip Zdar das Motorbass-Album „Pansoul“ heraus: Das pumpte, das war sehr schick, das hatte Disco, House und Soul und ließ die französische Hauspost richtig abgehen. Und danach änderte sich plötzlich alles: Motorbass, Daft Punk und I:Cube regierten die europäischen Tanzflächen, und immer wieder neue Modelle clubkompatibler Popmusik rollten von den Bändern der französischen Musikproduktion. Neben den Schmusepoppern Bang Bang und den Indie-Elektronikern Kojak sorgten in diesem Jahr vor allem die aus Montpellier stammenden Rinôçérôse dafür, dass der Hype kein Hype bleibt: Ihr Debütalbum „Installation Sonore“ ist ein ordentliches Brett, ein Album, das sich in puncto Energie und Abfahrt nicht vor den berühmten Pariser Kollegen verstecken muss.

Der Unterschied: Rinôçérôse scheinen Gitarren aufrichtig zu lieben. Sie sampeln sie oder spielen sie live ein, und damit das auch ja keiner falsch versteht, haben sie ihren Stücken Titel gegeben wie „La guitaristic house organisation“ , „I love my guitar“ oder, ganz kompliziert und mit echt spanischem Flavour, „323 secondes de musique repetitive avec guitare espagnole“.

Manchmal wirkt das zwar ein wenig überdreht, manchmal klingen die Gitarren so eklig, dass man danach nie wieder eine hören möchte. Doch die meiste Zeit sind die Tracks von Rinôçérôse und ihre Shows (bei denen sie nicht selten mit einer acht- bis zehnköpfigen Band auftreten) ein zwang- und folgenloser großer Spaß, der Rocker wie Clubmenschen sich gleichermaßen die Pfeifen reichen lässt. Puristen haben da keine Chance.

Sind Rinôçérôse tatsächlich neu in der französischen Schule, gehören Kid Loco und I:Cube schon in die Oberstufe. Während I:Cube mit seinen DJ-Sets und Alben für Discokubismus und Picknickattacken einsteht, für den mittlerweile klassisch coolen und eleganten, den mal tiefen, mal oberflächlichen French House, ist der dreifache Familienvater Kid Loco eher der Mann für die heimische Raumausstattung: TripHop, Downbeat, Easy-Listening und auch ein paar Ethnosounds findet man da als Genres im Register von Locos Werken. Das elektronische Allerlei halt, das von Kid Loco aber immer stramm in die Spur gebracht wird. Ein Wegfaden in die Sounds of Nowhere gibt es bei ihm nicht, und sein grandioses 97er Album „A Grande Love Story“ brachte schon im Titel Songs und die von ihnen evozierten Gefühle auf einen Nenner: zurück in die Tage der Kindheit und Freuden.

Mittlerweile hat man zwar ein wenig den Überblick verloren, was Herr Loco alles so treibt: Remixe für Pulp, Mogwai, High Llamas und Stereolab hier, ein DJ-Kicks-Album für das Berliner Label K7 dort. Doch Stilsicherheit zwischen Ambient und Drum & Bass, zwischen Underworld und Boards Of Canada ist bei ihm immer erste Bürgerpflicht.

Und das hat bekanntlich Produzenten und Konsumenten noch nie geschadet. Gerrit Bartels

Heute ab 21 Uhr im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

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