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Heimliche Blutentnahmen bei Behinderten

■ Würzburger Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Humangenetiker ein. Begründung: Forscher konnten davon ausgehen, dass Blutnahme bei den Heimbewohnern rechtens war

Hamburg (taz) – Die heimlichen Blutentnahmen und humangenetischen Forschungen an geistig behinderten BewohnerInnen des St.-Josefs-Stifts im unterfränkischen Eisingen (taz vom 1. 12. 99) sollen nicht vor Gericht verhandelt werden – zumindest, wenn es nach der Würzburger Staatsanwaltschaft geht. Allerdings hat sie einen Strafbefehl gegen die ehemalige leitende Ärztin des Stifts beantragt, Begründung: „Verletzung von Privatgeheimnissen“. Das Verfahren gegen drei Humangenetiker der Universität Würzburg wurde eingestellt.

Nun muss das Würzburger Amtsgericht entscheiden, ob es dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt oder weitere Ermittlungen fordert, um den unübersichtlichen „Eisinger Fall“ intensiver auszuleuchten.

„Das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft liest sich wie eine Verteidigungsschrift, das ist doch skandalös“, schimpft Horst Weiland. Er ist einer der Elternvertreter, die das Verfahren mit einer Strafanzeige in Gang gebracht hatten. Tatsächlich bewertet die Erklärung der Staatsanwaltschaft einige der Tatbestände, die längst öffentlich bekannt sind, nicht. So hatte die beschuldigte Ärztin bereits 1998 nach Darstellung der Heimleitung zugegeben, die Blutabnahme bei rund 160 BewohnerInnen veranlasst und Proben an das Humangenetische Institut der Universität Würzburg weitergeleitet zu haben. Dort war das Blut anschließend molekulargenetisch analysiert worden – und zwar gratis, denn die Erstattung dieser Leistungen durch Krankenkassen ist nicht dokumentiert.

Allerdings tauchen Ergebnisse der Blutanalysen in mindestens einer Doktorarbeit des Humangenetischen Instituts auf, und das gilt auch für Informationen aus Krankenakten von Stift-BewohnerInnen. Solche Daten unterliegen eigentlich der ärztlichen Schweigepflicht und dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen nicht weitergegeben werden.

Eltern und Betreuer hatten wiederholt versichert, sie seien weder über Entnahme des Blutes noch über Forschung damit informiert worden; eine Einwilligung hätten sie nicht gegeben, die Eingriffe seien somit eine unerlaubte Körperverletzung. Zwar räumt auch die Staatsanwaltschaft ein, „der Verdacht rechtswidriger Blutentnahmen“ sei „nicht ausgeräumt“. Doch sei ein Nachweis, der zur Verurteilung ausreiche, „nur schwer zu führen“. Was die Vorwürfe gegen die Würzburger Humangenetiker betrifft, so sei, teilte die Staatsanwaltschaft mit, „zugunsten der Beschuldigten davon auszugehen, dass sie von berechtigten Blutentnahmen ausgingen, insbesondere davon, dass die verantwortliche Ärztin die notwendige Einwilligungserklärungen der jeweiligen Betreuer einholen würde.“ Nicht belegbar sei, dass sie die Ärztin dazu angestiftet hätten, unrechtmäßig Blut ausschließlich zu Forschungszwecken zu entnehmen. Gleichwohl gebe es auch Indizien dafür, dass fremdnützige Untersuchungen, die nicht der Gesundheit der Betroffenen dienen, Anlass für die Blutentnahmen gewesen sein könnten. Fremdnützige Forschung an Menschen, die wegen geistiger Behinderung nicht persönlich einwilligen können, ist in Deutschland verboten.

Nicht nur die Eltern, auch die Verantwortlichen des St.-Josefs-Stift finden die Ermittlungsergebnisse unzureichend. Die Heimspitze, die spätestens seit Februar 1998 über die Blutentnahmen und Forschungen informiert war, aber seitdem wenig zur Aufklärung der Vorgänge im eigenen Haus beitrug, will sich nun doch noch bemühen: „Wir denken daran“, sagt Geschäftsführer Ulrich Spielmann, „bald unabhängige Sachverständige zu beauftragen.“

Klaus-Peter Görlitzer

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