: Die Aura der Verweigerung
URBAN ART Das Kreuzberger Café Wendel widmet dem Hamburger Graffiti-Sprayer Oz eine Ausstellung. In Hamburg steht der 61-Jährige vor Gericht
Die Boulevardzeitungen nennen ihn den „schlimmsten Stadtverschmierer Hamburgs und Graffiti-Opa“, die Polizeigewerkschaft „eine unbeherrschbare Plage“. Der 61-jährige Walter F., der zurzeit vor dem Hamburger Amtsgericht steht, wird beschuldigt, unter dem Namen „Oz in 20 Fällen Graffiti unerlaubt in der Stadt angebracht und sich bei einer Festnahme den Polizisten widersetzt zu haben“. Ihm droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe.
Die öffentliche Solidarität mit Oz, die der Prozess ausgelöst hat, reicht bis in die Urban-Art-Szene von Berlin. Ein Aktionsbündnis von Recht-auf-Stadt-Aktivisten bis hin zu Fußballultras setzt sich für ihn ein, weil er sich dem „Diktat der Funktionalität im Stadtraum“ verweigere. Neben politischer Solidarität gibt es auch das Interesse am Künstler Oz. Er weckt wegen „seiner Aura, seiner ganzen Geschichte“ Interesse, sagt Jürgen Große von der Berliner Galerie Urban Art Info. Ab Samstag wird eine Ausstellung mit Werken von Oz im Kreuzberger Café Wendel gezeigt. In der Reihe Vandal Café gibt es nach Ablauf der zweiwöchigen Ausstellungszeit, eine große Podiumsdiskussion unter dem Titel „Freiraum für Oz“ – mit Walter F. als Gast.
Nicht zu stoppen
Walter F. steht nicht das erste Mal vor Gericht. Nach zahlreichen Festnahmen und Gerichtsverfahren saß er insgesamt bereits acht Jahre für Graffiti im Gefängnis. Er war trotzdem nie zu stoppen. Auf 120.000 Graffiti in der ganzen Stadt Hamburg wird das Werk von Oz geschätzt. Neben seinen einprägsamen Schriftzügen gehören dazu Smileys, Parolen und bunte Muster. Naive Motive, die aber in ihrer Masse beeindrucken. Die Polizei ihrerseits versucht schon länger, Walter F. dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen. Im Jahr 2006 setzte sie dazu zwölf Polizisten ein, die Walter F. rund um die Uhr observierten. Das Gericht rügte später die Unrechtmäßigkeit dieses Vorgehens und lehnte eine langjährige Haftstrafe ab.
Dieses Mal sieht es allerdings weniger gut für Walter F. aus. 33 Zeugen sind geladen, um ihm die insgesamt 20 Fälle nachzuweisen. Es geht unter anderem um das Kleben eines Stickers, Kreidezeichnungen und Sprühen auf Stromkästen oder Straßenschildern. Die Geringfügigkeit dieser Vergehen zeigt, wie groß die Ratlosigkeit angesichts des Falls von Walter F. ist. Er düpiert die Polizei, und die Gerichte macht er ratlos. Auch die Prügel, die er schon mehrfach während seiner nächtlichen Aktionen bekommen hat, können ihn nicht vom Sprühen abhalten.
Werke der Outsider Art werden oft erst nach dem Tod ihrer Schöpfer entdeckt. Da geht es um Einzelgänger, die zu Lebzeiten nie ein Publikum fanden. Oz muss nicht entdeckt werden. Oz kennen in Hamburg alle. Er arbeitet sich an der Stadt ab, schreibt Parolen, verfremdet Plakate oder befreit mal Brachen von Müll. Trotzdem kann man ihn als Vertreter einer Kunst der Außenseiter verstehen und hoffen, dass das Gericht das ähnlich sieht. CARSTEN JANKE
■ Eröffnung der Oz-Ausstellung: Samstag, 5. 3., 21 Uhr im Café Wendel, Schlesische Str. 42, Podiumsdiskussion am 19. 3., 20 Uhr
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