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Archiv-Artikel

Die Rückkehr des lebenden Bandsalats

MUSIK Mit dem Label mo’ eröffnet die Kunstgalerie K’ ihre Musikabteilung: Noise und Soundscapes auf dem fast vergessenen Medium Audiokassette, ohne Authentizitätsterror oder Tritt in die Retrokitsch-Falle

Die Rückkehr der Kassetten in Zeiten, in denen sie kein Mensch mehr braucht, ist anachronistisch. Das wissen die K’-Galeristen natürlich auch

VON JAN-PAUL KOOPMANN

Ein Fetisch für Ausdauernde: Bis die Galerie K’ – Zentrum Aktuelle Kunst am Samstag ihr Musiklabel eröffnet, muss Eric Peters noch die erste Charge der Startveröffentlichungen kopieren. 320 Einheiten laufen laut und in Echtzeit auf vier parallelen Anlagen in seiner Wohnung – mo’ heißt das Projekt und es verlegt Audiokassetten.

Besonders eingängig ist es nicht, was da rund um die Uhr von Hand gewendet werden will: Künstler wie „Astro Cloud“ oder „Schrein“ experimentieren mit Klängen und bewegen sich im Segment Noise, Drone und Soundscape – Geräuschlandschaften. Musik also, die zwar eine immer größere Nische der Popkultur besetzt, aber doch reichlich quer steht zu dem, was Rock-Bands so machen. Auch früher schon vom Band: Szene-Ahnen Throbbing Gristle haben den Markt Ende der 1970er-Jahre mit heute legendären Audiokassetten geflutet.

Ansonsten interessierten sich aber stets weniger die Produzenten für das Medium, als es deren Kundschaft tat, die ihre Musik ohne großen technischen Aufwand kopieren wollte. Ihre historische Ablösung in den 90ern verdankten die Kassetten dann auch weniger dem neuen Trägermedium CD als den Tauschbörsen im Internet.

Auch die mo’-Bands sind online auf Plattformen wie Soundcloud zu finden. Als Stream oder Download gibt es auch jetzt schon einige der Tracks, die am Samstag auf Kassette erscheinen sollen. Warum also dieses Comeback eines antiquierten Raubkopiermediums ausgerechnet von Seiten der Labels? Hinter das Internet zurück will Peters jedenfalls nicht, er sieht die Tapes seiner Künstler als besondere Ergänzungen.

„Kassetten haben einen warmen, analogen Klang“, sagt er, die Hüllen ließen sich künstlerisch gestalten, und am Ende könne man das Tape Interessierten einfach so in die Hand drücken. Außerdem verbraucht es sich: „Die Kassetten leiern mit der Zeit aus, entwickeln Geschichte“, sagt Peters begeistert. Das ähnelt den Ausführungen von Vinyl-Freaks – mit entscheidenden und sympathischen Abweichungen im Preis und Selbstmach-Gedanken.

Trotzdem: Wer sich noch an den Ärger über Bandsalat oder im Kassettendeck zerknickte Magnetbänder erinnert, wird den Vorteil „Vergänglichkeit“ möglicherweise nicht sofort als solchen erkennen. Aber ein bisschen Wollen gehört am Ende wohl zu jedem Fetischismus.

Der geht nicht nur in Bremen um: Seit einigen Jahren sprießen ständig neue Tape-Labels aus dem Boden, wie der „Tabs out Cassette Podcast“ eindrucksvoll dokumentiert – eine Retrowelle, auch wenn die Akteure zu Recht darauf hinweisen, dass die Traditionslinien nie ganz abgebrochen waren.

Die Rückkehr der Kassetten in Zeiten, in denen sie kein Mensch mehr braucht, ist ästhetisierend und anachronistisch. Das wissen die K’-Galeristen und Betreiber von mo’ natürlich auch. Stilisierte Kassetten sind Dauermotiv auf T-Shirts oder in der Street-Art. Die Tonträger selbst werden von New York bis Bremen in Museen ausgestellt: Im vergangenen Jahr war die Ausstellung „Bandsalat – Aufnahme, Rücklauf, Wiedergabe, Stopp“ des Studienzentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg zu sehen.

Die Kombination von Nostalgie und DIY-Attitüde ist verführerisch und ohne Frage charmant. Peters nennt es sogar „romantisch“, die Tapes Stück für Stück selbst zu kopieren – von CD übrigens, weil der Rechner Fehlermeldungen oder andere unerwünschte Sounds in die Aufnahme schießen könnte. Das Ganze laut, um keinen Sprung der CD vierfach auf Tape zu verewigen.

Denn auch wenn mo’ in Aufmachung und Wahl des Mediums damit kokettiert, sind die K’-Galeristen viel zu sehr Profis, um irgendwelchen Schrott abzuliefern.

Auch die Musik ist ausgesprochen gut: Die krachenden Soundwände von David Wallraff sitzen genauso wie das dagegen fast verspielte Gefrickel von Astro Cloud. Und das funktioniert erfreulicherweise auch, ohne die eskapistischen Düsterwelten zu bemühen, in denen es sich viele der gitarrenlastigeren Genrevertreter zurzeit gemütlich machen.

Letztlich sind die Tapes auch gerade deshalb ein vielversprechendes Experiment, weil sie artifiziell und ohne Weiteres reproduzierbar sind – und weil mo’ weiß, dass das Getue um Authentizität blanker Unsinn ist.

Was das Label am Samstag vorlegt, belegt den Unterschied zwischen Retro-Kitsch und der bewussten Aneignung einer Form. Und die hat als billiges Kopiermedium die Freiheit vom Markt einmal zumindest so gut vorgegaukelt, dass manche darüber doch noch auf interessantere Ideen gekommen sind, als sich die Top Ten zusammenzukopieren.

Samstag, 20 Uhr, Galerie K’