Hunde und Nazis „müssen draußen bleiben“

Ein Dorf im Hunsrück wehrt sich geschlossen gegen die NPD, die ein „Schulungszentrum Schinderhannes“ einrichtete

GONZERATH taz ■ „Nationale Zentren sind das sichtbar gewordene Fundament revolutionärer Kerne im nationalen Befreiungskampf“, sagt Safet Babic, Landespressesprecher der NPD in Rheinland-Pfalz. Babic studierte in Trier Politikwissenschaften und gilt als „rechte Hand“ von Landesparteichef Peter Marx. Schon lange versucht die selbsternannte intellektuelle Avantgarde der rechtsextremistischen Partei, die aus der braunen Schmuddelecke heraustreten will, mit „planvollen Schulungen“ (Babic) die Kameraden zu unterweisen. Sie suche deshalb überall in Deutschland nach geeigneten Gebäuden zur Einrichtung von „Schulungszentren“, so Babic. In Rheinland-Pfalz ist die Partei jetzt fündig geworden.

Die alte Schule in Gonzerath, einer kleinen Ortschaft in der Gemeinde Morbach im Hunsrück, ist das aktuelle Objekt ihrer Begierde. Angemietet hat die NPD das schiefergedeckte wuchtige Haus mit dem großen Schulhof und viel Parkraum daneben jedenfalls schon. Oder es wurde ihr vom Eigentümer sogar kostenlos zur Nutzung überlassen. So genau weiß das auch der Bürgermeister von Morbach, Gregor Eibes (CDU), nicht zu sagen. Der Eigentümer und Geschäftsmann, dem die Kommune das alte Schulhaus vor jetzt sechs Jahren für 100.000 Euro mit Sanierungsauflagen verkaufte, könne dazu nicht mehr befragt werden. Er habe sich „urplötzlich“ aus Gonzerath abgemeldet und lebe jetzt wohl in Spanien, so Babic.

In der alten Schule zu Gonzerath jedenfalls wurde bereits Ende 2006 der Landesparteitag der NPD durchgeführt. Und Landesgeschäftsführer und Neonaziführer Sascha Wagner nahm dort seinen zweiten Wohnsitz. Zu einem ersten „Schulungsabend“ lud der „Politische Gesprächskreis für den Hunsrück und die Mosel“ der NPD für den 16. Februar zu einem Vortrag mit dem Titel: „Wasser – der Kriegsgrund der Zukunft!“ in das neue „Schulungszentrum Schinderhannes“.

In Gonzerath mit seinen 1.200 Einwohnern gefällt das niemandem. Der Widerstand gegen die NPD formiert sich. Und alle machen mit. Die demokratischen Parteien – und die Kirchen sowieso. Aber auch alle Vereine und die Freiwillige Feuerwehr, die Geschäftsleute und wohl auch alle Bürgerinnen und Bürger. Eine Resolution gegen die Nazis haben sie verfasst, die in allen Geschäften und an öffentlichen Gebäuden aushängt. „Entschieden“ distanzieren sie sich darin von der rechten Szene.

Bäckermeisterin Erika Schmitt etwa hat selbst noch ein Plakat gebastelt und an die Tür zu ihrer Bäckerei mit dem Café gehängt: „Hunde müssen draußen bleiben. Nazis auch.“ „Ich habe als Kind die letzten Kriegsjahre und die Vertreibung noch erlebt. Die verbrecherischen Nazis haben uns das eingebrockt“, begründet sie ihr aktuelles Engagement gegen die NPD. Nie habe sie geglaubt, dass sie in ihrem Leben noch einmal gegen Nazis aktiv werden müsse.

Im kleinen, anachronistischen Café von Erika Schmitt mit dem morbiden Charme der 50er-Jahre gerät ein Rentner, der sich „hobbymäßig“ um die Ortsgeschichte kümmert, ganz außer sich: „Dass die ihr Schulungszentrum jetzt nach dem Schinderhannes benennen, ist die größte Sauerei“, schimpft er. Der Räuberhauptmann habe doch „für die Freiheit und für die Armen gekämpft“. In seiner Bande hätten Franzosen und Kroaten mitgemischt: „Alles multikulturell.“

Die Ortseingangschilder wurden durch Stellwände ersetzt: „NDP? Nein danke!“ steht darauf. Auch bei Edeka und bei der Volksbank heißt es: „Kein Fußbreit den Nazis!“ Und an manchen Häusern hängen Transparente mit Parolen gegen die NPD. Die Bürgerinnen und Bürger seien eben stolz darauf, dass in ihrer von Touristen auch aus Holland und Belgien gerne besuchten Region von den Hunsrückhöhen bis hinunter in das Tal der Mosel bislang weder die NPD noch die „Republikaner“ auch nur eine Nebenrolle gespielt hätten, sagt Jutta Blatzheim-Roegler von den Grünen im Kreistag Bernkastel-Wittlich.

Heute wird in Gonzerath gegen die NPD demonstriert. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT