AMERICAN PIE
: Posterboy der Betonsurfer

TRAGISCHER HELD Jay Adams, der das Skateboarden revolutioniert hat, ist mit 53 Jahren gestorben. Seinen Ruhm hat er nie verkraftet

Jede gute Geschichte braucht einen tragischen Helden. Wie ein paar Jugendliche aus Santa Monica in den siebziger Jahren aus einem Kinderspielzeug das coole Signet einer Subkultur formten, das schließlich zu einem Produkt einer weltweiten Multimillionendollar-Industrie wurde, das ist sicherlich eine gute Geschichte. Wie das Skateboarden zu dem wurde, was es heute ist, ist längst Legende und wurde gleich zweimal erfolgreich fürs Kino aufgearbeitet. Die strahlenden Helden dieser Geschichte sind mittlerweile reich und berühmt. Der tragische Held dieser Geschichte war Jay Adams. Auch er war berühmt, auch er war reich. Dann hing er an der Nadel, saß im Knast, und fing sich schließlich wieder. Am vergangenen Freitag ist Adams im Alter von 53 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben.

Adams wuchs in Venice vor den Toren von Los Angeles in einem Viertel auf, das seine Bewohner „Dogtown“ nannten. Mit vier Jahren begann er mit dem Surfen, und wenn man nicht surfen konnte, fuhr er Skateboard. Für Adams und seine Freunde, die später als „Z-Boys“ für den lokalen Zephyr-Surf-Shop an Skateboard-Wettbewerben teilnehmen sollten, wurden die beiden Sportarten zu einer: Skaten wurde zu Surfen auf Beton, Stadtlandschaften zu Wellenbergen.

Im März 1975 wurde diese Revolution zum landesweit bekannten Phänomen. Die Z-Boys führten bei den Del Mar Nationals vor, was sie in Venice entwickelt hatten und mischten die Meisterschaften auf. Bis dahin orientierte sich das Skateboarden am Eiskunstlauf: Die Skater fuhren in eng anliegenden Gymnastikanzüge zu Musikeinspielungen eine brave Kür mit Tricks, machten Handstände auf dem Board oder drehten Pirouetten. Die Z-Boys dagegen trugen schlabbrige Jeans und T-Shirts, gingen in die Knie, legten sich rasant in die Kurve, strichen mit den Händen über den Asphalt, sprangen über und auf Hindernisse und improvisierten ihre Fahrten. Später schossen sie in trockengelegten Swimmingpools über die Ränder hinaus, drehten sich in der Luft und entwickelten die ersten Tricks des sogenannten „Vert Style“, die heute Standard sind in jeder Halfpipe. Adams, Stacy Peralta, Tony Alva und die anderen Z-Boys veränderten für immer die Art, wie man ein Skateboard fährt, und planierten die Straße, auf der ein Tony Hawk zum globalen Superstarstatus rollen konnte.

Ein Weg, der eigentlich für Adams reserviert schien. Als jüngstes Mitglied der Z-Boys war er das talentierteste, seine aggressive Art zu Skaten prägte den schnell wachsenden Mythos von den Punks auf Brettern. Für den drei Jahre älteren Peralta war Adams „vielleicht nicht der beste Skater aller Zeiten, aber mit Sicherheit der Archetyp des modernen Skateboarding“.

Doch während Alva und Peralta nicht nur gute Skater waren, sondern sich auch als begabte Geschäftsmänner entpuppten, verkraftete Adams seinen Ruhm nicht. Er wurde heroinabhängig, bekam Ärger mit dem Gesetz. Mal ging es um homophobe Gewalt, mal um Steuerschulden, meistens um Drogen. Als 2001 der von Peralta gedrehte Dokumentarfilm „Dogtown and Z-Boys“ die Preise bei den Festivals abräumte und an der Kinokasse erfolgreich war, saß Adams gerade im Knast. 2005 kam der Spielfilm „Lords of Dogtown“ ins Kino, Adams wurde gespielt von Emile Hirsch, hatte selbst einen Cameo-Auftritt als Partygast und wurde kurz darauf wieder einmal verhaftet.

Als er 2008 entlassen wurde, war Adams ein neuer Mensch. Er hatte zum Glauben gefunden, trug nun ein tätowiertes Kreuz neben seinem linken Auge – im Kontrast zum Wörtchen „Dogtown“ über der rechten Augenbraue. Er arbeitete als Hausmeister, hatte den Drogen abgeschworen und hielt in Schulen Vorträge über seine Vergangenheit. Die letzten Jahre lebte Adams mit seiner Frau und Tochter auf Hawaii. Am Tag, als er starb, stand er ein letztes Mal auf einem Surfbrett.

Von den zwölf originalen Z-Boys verunglückte erst im Juni Shogo Kubo beim Surfen auf Hawaii. Schon 2010 erlitt Bob Biniak einen Herzanfall, im Jahr darauf starb Chris Cahill. Aber diese drei waren allesamt Randfiguren der Revolution, deren Posterboy Jay Adams war. THOMAS WINKLER