Putsch auf Spanisch – mit List und Tücke

SPANIEN Eine Wahlrechtsreform soll der konservativen Regierungspartei auf Dauer zur Macht verhelfen. Demokratie geht anders

Die Partei mit den meisten Stimmen soll automatisch den Bürgermeister stellen

AUS MADRID REINER WANDLER

Die Umfragen verheißen nichts Gutes für die in Spanien regierenden Konservativen der Partido Popular (PP). Bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr könnte die Partei von Ministerpräsident Mariano Rajoy – die seit 2011 knapp die Hälfte der Bürgermeisterämter innehat – einen Großteil ihrer kommunalen Macht verlieren. Damit dies nicht passiert, will Spaniens Regierung jetzt das Wahlrecht ändern. Die Partei mit den meisten Stimmen soll automatisch das Bürgermeisteramt erhalten – auch wenn sie nicht die absolute Mehrheit erhält.

Die PP reagiert damit nicht nur auf aktuelle Umfragen, sondern auch auf das Ergebnis der vergangenen Europawahl. Die beiden großen Parteien – PP und PSOE – erzielten zusammen erstmals weniger als 50 Prozent der Stimmen. Das Zweiparteiensystem, das Spanien seit Jahrzehnten dominiert, steckt in einer tiefen Krise. Die geplante Wahlrechtsreform sieht keine zweite Runde vor, in der sich die beiden Spitzenkandidaten in einer Stichwahl messen, wie zum Beispiel in Frankreich. Die PP plant stattdessen einen Siegerbonus, der der stärksten Liste die absolute Mehrheit im Gemeinderat bescheren soll.

Mit der Wahlrechtsreform sollen Koalitionsregierungen auf kommunaler Ebene unmöglich gemacht werden. Diese würden nur „dunkle, in Büros ausgehandelte Interessen“ vertreten und nicht den Willen der Bürger widerspiegeln, heißt es aus der PP-Zentrale. In den kommenden zwei Monaten will die PP „mit allen politischen Kräften“ verhandeln. Im November dann soll das neue Wahlgesetz als Teil eines Pakets zur „Regeneration der Demokratie“, das unter anderem die Parteienfinanzierung neu regeln und die Transparenz der Politik verbessern soll, ins Parlament gehen. Im Dezember – nur fünf Monate vor dem kommunalen Urnengang – wäre das neue Wahlgesetz dann fertig.

Die Opposition redet von Betrug. „Sie wollen fünf Minuten vor Ende des Spiels die Regeln ändern“, schimpft der Generalsekretär der sozialistischen PSOE, Pedro Sánchez. Formationen wie die postkommunistische Vereinigte Linke (IU) oder die neu entstandene Podemos reden gar von einem geplanten „Staatsstreich“. Alle drei Formationen weigern sich, über eine mögliche Reform in Verhandlungen einzutreten. Die PP braucht keine Einigung mit der Opposition, denn die Konservativen verfügen über die absolute Mehrheit im Parlament und können die Wahlrechtsreform somit alleine verabschieden.

Nur die in Katalonien regierende nationalistische CiU hat sich bereit erklärt, an einer Wahlrechtsreform mitzuarbeiten. Die katalanische Presse rechnet vor, warum. Eine mögliche gemeinsame Liste der CiU mit der radikaleren, ebenfalls nationalistischen Republikanischen Linken (ERC) würde selbst bei schlechtesten Umfragewerten rund 80 Prozent aller Gemeinden im rebellischen Nordosten Spaniens regieren.

In mehreren Städten Spaniens entstehen derzeit breite Bündnisse aus linken Parteien und Bürgerinitiativen, die unter dem Namen „Wir gewinnen“ zu den Kommunalwahlen antreten wollen. Das Vorbild ist die katalanische Metropole Barcelona, wo die ehemalige Sprecherin der Initiative gegen Zwangsräumungen, Ada Colau, für das Bürgermeisteramt kandidieren will.

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