Schöner pinkeln für alle

WC In Mitte werden am Dienstag die ersten Unisextoiletten eingeweiht – ursprünglich eine Idee aus Kreuzberg

VON HILKE RUSCH

Piktogramme vereinfachen die Realität, aber nicht unbedingt das Leben. Durch stilisierte Symbole werden Menschen aller erdenklichen Körpergrößen und -formen in zwei klar unterscheidbare Gruppen aufgeteilt: Die einen tragen ein Kleid, die anderen eine Hose: Frauen und Männer.

Kleid und Hose haben natürlich nur Symbolfunktion. So bereitet es im Alltag keine Probleme, auch ohne Kleid eine Toilette zu benutzen, an deren Tür ein Kleid-Piktogramm hängt. Schwierigkeiten aber bekommen Menschen, die das WC mit dem Kleid-Piktogramm benutzen und doch nicht der konventionellen Vorstellung von einer Frau entsprechen. „In den meisten Fällen gibt es irritierte Blicke“, erzählt Marek* Höhne von TransInterQueer (TrIQ). Der Verein berät queer lebende, trans- und intergeschlechtliche Menschen und betreibt Aufklärungsarbeit. „Oft wird auf einem öffentlichen Klo gefragt, ob man dort nicht falsch ist“, sagt Höhne. Vor einiger Zeit sei auf einer öffentlichen Toilette eine Transfrau zusammengeschlagen worden. Schwierig kann der Klogang auch für Menschen sein, die sich gar keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. Denn für diese gibt es bisher offiziell gar kein WC.

Im Bezirk Mitte will man jetzt einen neuen Weg gehen: Ab Dienstag wird es an einigen öffentlichen Toiletten eine dritte Schildvariante geben: Zwei Menschen auf einem Schild – einer mit Kleid, einer mit Hose. Jeweils ein Unisex-WC wird es in den Rathäusern Wedding, Tiergarten und Mitte geben. In Mittes Schulen und Bibliotheken aber wird es weiterhin nur geschlechtergetrennte Toiletten geben.

Die Schulaufsicht des Bezirks ließ in einer Stellungnahme verlauten, man halte eine WC-Umwidmung in Schulen „aktuell nicht für notwendig und zielführend“. Schul-Stadträtin Sabine Smentek (SPD) findet, es gehe nicht bloß um Beschilderung, sondern um eine komplexere Thematik: „Um Mobbing an Schulen zu vermeiden, muss das Thema pädagogisch diskutiert und begleitet werden“, sagte sie.

In den Unisex-Rathaustoiletten informiert immerhin ein Schild darüber, dass die WCs von allen genutzt werden können – und dass es Menschen gibt, die sich geschlechtlich nicht zuordnen wollen oder können. Doch ist eine Toilette mit den Piktogrammen für „Mann“ und „Frau“ wirklich ein Unisex-WC? „Das Schild hält an der Zweiteilung fest und vergisst, dass sich manche Menschen in den Piktogrammen nicht wiederfinden“, kritisiert Marek* Höhne von TrIQ. „Warum steht nicht einfach ‚Toilette‘ an der Tür?“ Wie Smentek findet auch Höhne, dass Aufklärung über Geschlechtsidentitäten nötig ist. Gerade an Schulen seien geschlechtsneutrale WCs wichtig. „Kinder, die nicht genderkonform sind, erleben allgemein viel Ausgrenzung“, sagt Höhne, „manche gehen deshalb in der Schule gar nicht aufs Klo.“ Hilfreich könnten Einzelkabinen sein, ähnlich wie in Zügen, geschlechtsneutral und rollstuhlgerecht.

Nicht nur Mitte versucht sich an Unisexklos. Vorreiter war der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: Bereits Anfang 2013 folgte das Bezirksparlament dem Antrag der Piraten und beauftragte das Bezirksamt, einige Toiletten umzuwidmen. Doch die Umsetzung erweist sich als zäh: Laut der Grünen Susanne Hellmuth, Vorsitzende im Ausschuss Frauen, Gleichstellung und Queer, ist gut anderthalb Jahre nach dem BVV-Beschluss nur ein Teil der Umbauarbeiten im Rathaus Kreuzberg abgeschlossen. Die tatsächliche Umwidmung der Toiletten muss jedoch warten: wegen der derzeitigen Haushaltssperre im Bezirk können die nötigen Schilder nicht in Auftrag gegeben werden. Insgesamt 1.000 Euro hat das Bezirksamt für die Umbauten veranschlagt. Die Kosten entstehen dadurch, dass die Pinkelbecken im ehemaligen Herren-WC abgebaut werden. Felix Just von den Piraten findet das nicht nötig, eine Beschilderung hätte gereicht. Der Vorschlag seiner Fraktion wäre „bis auf das Schild an der Tür kostenneutral gewesen“, sagt Just. Warum sich das Ganze so lang hinzieht, versteht er ebenso wenig: „Üblicherweise dauert so etwas zwei bis drei Monate.“ Für Just ein Zeichen des Unwillens von Stadtrat Hans Panhoff (Grüne): „Er hat von Beginn an deutlich gemacht, dass er das Ganze für sinnlose Klientelpolitik hält.“

In den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Lichtenberg gibt es ebenfalls Umwidmungsbeschlüsse, im März 2014 brachten die Piraten auf Landesebene einen Antrag für die Einrichtung von „Unisex“-Toiletten in öffentlichen Gebäuden ein.

In Lichtenberg aber lehnte das Bezirksamt den Auftrag der BVV mit Hinweis auf die Arbeitsstättenverordnung ab. Danach müssen geschlechtergetrennte Toiletten zur Verfügung stehen, wenn es mehr als fünf Beschäftigte gibt. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf will seine Unisex-Klos nach dem Umzug des Rathauses Wilmersdorf einrichten. Bezirksstadträtin König geht von geringen Kosten aus: Anders als im Kreuzberger Rathaus sollen die Pinkelbecken in den ehemaligen Herren-WCs erhalten bleiben.

Hier zeigt sich ähnlich wie im Vorreiterbezirk Mitte, dass der ursprüngliche Gedanke der Unisexklos – nämlich von der Idee abzurücken, dass es nur zwei Geschlechter gebe – noch nicht ganz angekommen ist: Denn dass die Pinkelbecken nicht abgebaut werden sollen, begründet das Bezirksamt nämlich tatsächlich damit, dass in einer Unisextoilette Uriniermöglichkeiten für beide Geschlechter, Männer wie Frauen, vorhanden sein müssten.