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Knut im Pubertätsdrill

Wie stimuliert man zu Heterosexualität? „Bild“ zeigt’s mit beispielhafter Berichterstattung über einen Eisbärjungen

Dieser Eisbär namens Knut mag ja niedlich sein. Nun aber wird er weniger possierlich, denn er wächst und wird bald sehr jugendlich, also geschlechtsreif. Also droht Gefahr: Wird er sich dem richtigen Geschlecht zuwenden?

Eine Frage, die sich auch alle Eltern von Kindern stellen, und die Bild-Zeitung stellt sie subtil in den Mittelpunkt ihrer, ja unserer Aufmerksamkeit: „Knuts erste Freundin“ stand jüngst dort zu lesen, eine Geschichte über das Spielen von Knut mit anderen Tieren: „Bisher spielte die Kragenbärin immer mit einer Katze. Aber jetzt ist der kleine Knut da …“ Und wir verstehen: Die dunkle Bärin war bisher mit ihrer Freundin, der Katze Muschi, zufrieden – aber nun kommt ein ungestümer Mann, der das fragwürdige Idyll mit seiner Präsenz tüchtig heterosexuell aufräumt.

Heterosexuell? Natürlich. Jedes menschliche Elternteil kennt es: Kaum krabbelt der Sohn und bewegt sich auf ein Kleinkind weiblich biologischen Geschlechts zu, trillern die Angehörigen des Jungen glücklich: „Seine erste Freundin.“ Wackelte der Filius auf einen anderen Jungen zu, machte sich Unruhe breit: „Wird er wohl schwul? Braucht er Aufmunterung, sich dem andersgeschlechtlichen Menschen zuzuwenden?“ Dass die Frau sich dem Manne oder der Mann der Frau im Paarungssinne zuneigt, ist eben nicht Sache der Natur, sondern vor allem eine der Zurichtung, des Drills. Jedes Kleinkind merkt, bei der Kommunikation mit dem anderen Geschlecht an der Reaktion der Eltern, dass das gut gefunden, das gleichgeschlechtliche Verhalten indes missbiligt wird.

Eine sexuelle Orientierung mag im Kinde angelegt sein, beim Eisbär ebenso, aber in so jungen Jahren ist sie nicht sichtbar – und offen zugleich. Stimulation scheint nötig. Sie signalisiert: Wir lieben dich nur, wenn du wirst, wie wir es gern hätten! Das darf man Antihomosexualität im Gewande der Naturhaftigkeit nennen – mit der Methode freundlichster Dressur.

Knut, der Eisbär, mag sich bei seiner Tollerei mit Bär und Katze nichts gedacht haben, wie sich ja auch kleine Kinder wenig denken, spielen sie. Dass sie längst Objekte des Drills sind, bleibt ihnen verborgen. JAF

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