: Die Stimme verrät den ehemaligen Mann
Viele Transsexuelle entscheiden sich für eine Geschlechtsumwandlung – doch danach muss das Leben keineswegs besser sein
Transsexuelle ernten eben immer noch Ablehnung, Spott, Skepsis und allenfalls voyeuristische Neugierde. Dabei leben laut Expertenschätzungen allein in Deutschland rund 6.000 transidentische Menschen, die sich im falschen Körper fühlen, etwa die Hälfte von ihnen hat sich zur operativen Geschlechtsumwandlung entschlossen. Ein medizinischer Eingriff, für den man ziemlich viel Mut zusammenbringen muss.
So erfolgt vor der Operation eine mehrmonatige Behandlung mit hoch dosierten Hormonen. Bei den Männern bilden sich daraufhin die Hoden zurück, bei den Frauen kommt es zu Stimmbruch und Bartwuchs. Beides ist irreversibel, es gibt also schon an dieser Stelle kein Zurück mehr.
Doch die Transsexuellen empfinden genau das, wie die plastische Chirurgin Kerstin Neumann von der Universität Halle-Wittenberg betont, „oft als große Erleichterung“. Denn endlich ginge ja in Erfüllung, auf was sie viele Jahre unter großem Leidensdruck hingearbeitet haben.
Die anschließende Operation umfasst bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen in der Regel eine Vergrößerung der Brust sowie eine Umwandlung der primären Geschlechtsorgane: Die Hoden werden entfernt und zwischen Harnröhre, Blase und Prostata wird eine Scheide ausgebildet.
Der Weg von der Frau zum Mann ist noch komplizierter. Neben der Brust werden Eierstöcke und Gebärmutter herausgeschnitten, aus einem großen Stück Haut- und Unterhautgewebe schaffen die Ärzte einen neuen Penis, die Hoden werden meistens mit Hilfe von Silikon nachgebildet. Alles in allem ein sehr komplizierter Eingriff – weswegen viele Transmänner darauf verzichten.
Zudem ist mit der Operation der Weg zum Wunschgeschlecht keineswegs abgeschlossen. Die Hormonbehandlung muss oftmals jahrelang fortgesetzt werden. „Für viele Mann-zu-Frau-Transsexuelle wird besonders die Stimme zum Problem“, erklärt Neumann. Sie bleibt tief und für die Umwelt deutlich als männlich erkennbar.
Hormon- und Logopädiebehandlungen helfen hier nur wenig, so dass meistens eine weitere Operation notwendig wird. In Halle-Wittenberg setzt man dabei auf die „Cricothyroidopexie“: Die Spannung der Stimmlippen wird wie bei einer Gitarrensaite angehoben, die Stimme geht dadurch dauerhaft um fünf bis sechs Halbtöne nach oben – doch selbst das reicht nur bei 28 Prozent der Fälle für eine wirklich weibliche Tonlage.
Ohnehin garantieren auch erfolgreiche Operationen und Hormonbehandlungen keineswegs, dass danach das gesellschaftliche Leben gelingt. Geschlechtsumwandlungen sind sozial nach wie vor geächtet, Mann-zu-Frau- Transsexuelle müssen oft eine berufliche Rückstufung hinnehmen, weil man ihnen als Frau nicht mehr so viel zutraut.
Wissenschaftliche Studien zeigen allerdings auch, dass es transidentischen Menschen ohne Geschlechtsumwandlung noch schlechter geht. Denn sie leben weiterhin in einem Körper, den sie nicht wollen. Und in ihrer Umwelt ernten sie noch weniger Akzeptanz als ein operierter Transsexueller. Der Standardvorwurf an ihre Adresse lautet: „Du wirst dich schon an dein Geschlecht gewöhnen – reiß dich halt mal zusammen.“
JÖRG ZITTLAU