Frankreichs lachender Dritter

Erstmals nimmt mit François Bayrou ein ausgeschiedener Kandidat die Starrolle im Wahlkampf vor der Stichwahl ein

PARIS taz ■ Debattieren sie? Debattieren sie nicht? Die Frage ist in den Mittelpunkt der Berichterstattung vor dem zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich gerückt. Seit Anfang der Woche wollen die Sozialdemokratin Ségolène Royal und der ausgeschiedene Rechtsliberale François Bayrou öffentlich debattieren. Beide schlagen täglich neue Termine und Medien vor – die immer wieder abgesagt werden. Ein für gestern anvisiertes Treffen vor der Regionalpresse scheiterte im letzten Moment am Veto der VerlegerInnen. Ein für heute Vormittag angesagtes Treffen im Pay-TV Canal-Plus platzte wegen des Vetos der Senderleitung. Für heute Nachmittag ist ein neuer Termin anberaumt. Dieses Mal will der Privat-TV-Sender BFM übertragen … Im Privatradio rtl versicherte Bayrou gestern, die MedienmacherInnen hätten „Druck“ von Nicolas Sarkozy bekommen. Vor ihm hatte schon Royal das Sarkozy-nahe „Medien- und Finanzsystem“ für ihre gescheiterten Debattenversuche verantwortlich gemacht. Der für Einschüchterungsversuche gegenüber JournalistInnen bekannte Sarkozy bestreitet jede Einflussnahme auf Medien. Seine Sprecherin erklärte gestern, eine Debatte zwischen Royal und Bayrou sei eine „Missachtung“ der WählerInnen. Die hätten sich schließlich mit der selten dagewesenen Einmütigkeit von mehr als 50 Prozent für Royal und Sarkozy ausgesprochen. Und nicht für Bayrou.

Tatsächlich ist die Starrolle für Bayrou zwischen den beiden Wahldurchgängen ein neues Phänomen. Normalerweise sind „dritte Männer“ nach dem ersten Wahlgang politisch tot. Zuletzt geschah das 2002 mit dem Sozialdemokraten Lionel Jospin. Nachdem er den Einzug in die Stichwahl nicht geschafft hatte, zog er sich noch am Abend des ersten Wahlgangs „aus der Politik zurück“. Seine Politkarriere war zu Ende.

Ganz anders verhält es sich mit Bayrou. Der rechtsliberale dritte Mann, der am 22. April 7 Millionen Stimmen bekam, ist nun der meistumworbene Politiker in Paris. Zu seiner Pressekonferenz Mitte der Woche kamen mehr als 400 JournalistInnen. Doch der Rechtsliberale gab die erwartete Wahlempfehlung nicht ab. Nachdem Bayrou 30 Jahre lang Politik im rechten Lager Frankreichs gemacht hat, zeigt er in diesem Wahlkampf erstmals linke Neigungen. Die Sozialdemokratin Royal wirbt stark um ihn. Und jene „Elefanten“ der PS, die schon lange von einer neuen sozialliberalen Allianz träumen, die die Parteibasis immer abgelehnt hat, sehen jetzt ihre große Stunde gekommen.

Ein Ergebnis der bis gestern verhinderten Debatte ist, dass Sarkozy, seit Monaten unbestrittener Held der Medien, ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. In den Umfragen ist er gestern erstmals etwas abgesackt. Sein Vorsprung zu Royal verringerte sich auf 3 Prozent. In den Hintergrund geriet auch die für nächsten Mittwochabend anberaumte traditionelle Fernsehdebatte. Dabei werden sich – und das steht fest – Royal und Sarkozy zum ersten Mal in diesem Wahlkampf ein öffentliches Redegefecht liefern. DOROTHEA HAHN

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