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Archiv-Artikel

Macht das Licht rund!

SOLARENERGIE Die Anlage bündelt sehr effektiv und simpel, gewinnt auch Wärme und ist für senkrechte Fassaden geeignet. Der deutsch-spanische Hersteller sucht nun Partner

Das 36-stöckige Hochhaus in Paris könnte doppelt so viel Strom erzeugen, wie es verbraucht

VON LUTZ DEBUS

Mitten im Häusermeer von Barcelona steht auf einem Flachdach ein futuristisch anmutendes Gebilde. Gehalten von einer Fassung aus Metall sammelt eine durchsichtige Kugel Licht. André Brößel, der Erfinder dieses außergewöhnlichen Solarkraftwerks, ist überzeugt von dieser Technologie, die seiner Meinung nach mittelfristig die handelsüblichen flachen, rechteckigen Solarmodule an vielen Orten ablösen könnte. Seine Firma Rawlemon Solar Architecture produziert zurzeit diese Kugellinsen-Solaranlage allerdings erst als Prototyp.

Raw lemon heißt rohe Zitrone. Und die Idee, die der kugeligen Lemone zugrunde liegt, ist denkbar simpel: 524 Liter Wasser fassen zwei Halbschalen aus Plexiglas, die zusammengefügt einen Durchmesser von einem Meter aufweisen. Auf einer schmalen, halbkreisförmigen Schiene, die um die Kugel geschwenkt werden kann, fährt ein kleiner Wagen, beladen mit hochwertigen Solarzellen – genau dort entlang, wo im Laufe des Tages die Kugellinse die Sonnenstrahlen hinbündelt.

„Durch diese zweiachsige Nachführung können wir immer im Brennpunkt der Linse den Solarstrom gewinnen“, so Brößel. Dies ist ein klarer Vorteil. Die meisten Fotovoltaikanlagen werden fest montiert und haben deshalb einen niedrigeren Wirkungsgrad, sobald die Sonne nicht im rechten Winkel zur Sonnendachfläche steht. Manche Solaranlagen, die auf freien Feldern montiert sind, werden deshalb mit aufwendiger Technik ausgerüstet, die die schweren Kollektoren nach dem jeweiligen Stand der Sonne ausrichten. Der Kollektor in der Anlage von Rawlemon hingegen benötigt nur ein Bruchteil der Fläche einer konventionellen Solaranlage.

Im Brennpunkt wird nicht nur Licht, sondern auch Wärme gesammelt. Deshalb wird in jenem Modell ein Hybridkollektor verwendet, der sowohl elektrische als auch thermische Energie gewinnt. Strom und Wasser zum Duschen und Heizen kommen so aus der gleichen Anlage.

Aber André Brößel möchte nicht nur Dächer, sondern vor allem Fassaden von Gebäuden nutzen. Herkömmliche Solaranlagen kommen hier kaum zum Einsatz. Zu ungünstig ist der Winkel zur Sonneneinstrahlung. Und Fassaden haben Fenster, die nicht durch lichtundurchlässige Platten verdeckt werden sollten. Rawlemon entwickelte hierfür eine neue Technologie. Zwölf kleine Kugeln, integriert in einen Glasquader, arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie die große Kugel. Fast wie Glasbausteine sehen diese Module aus.

Zwar ist ein gestochen scharfer Blick durch diese Art von Fenster kaum möglich, lichtdurchlässig sind die kleinen Kugeln aber allemal. Flächendeckend an die Südseite von freistehenden Hochhäusern angebracht, können diese viel Strom erzeugen. Im Sommer sorgen sie zudem dafür, dass die Sonne die Räume nicht unnötig aufheizt.

André Brößel hat den Ertrag an geerntetem Strom für ein 36-stöckiges Hochhaus in Paris durchgerechnet. Knapp 10.000 Quadratmeter Fassadenfläche können so jährlich zwei Gigawattstunden erzeugen. Das Gebäude würde etwa die Hälfte des so erzeugten Stroms selbst verbrauchen. Den Rest könne man verkaufen, so Brößel. Wie teuer diese Module bei einer Massenfertigung in der Anschaffung sind, kann nur geschätzt werden. Hier fehlen noch genaue Prognosen.

Kritiker der Solarenergie behaupten gern, dass bei der Herstellung der Anlagen mehr Energie verbraucht werde, als diese jemals gewinnen könnten. Dieser Annahme widerspricht Rutger Schlatmann vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. „Die Energierücklaufzeiten für Fotovoltaik betragen je nach Standort ein bis drei Jahre, und das bei einer Lebenszeit von mindestens 25 Jahren.“

Die Technik von Rawlemon nennt er „interessant“. Die Firma selbst schätzt die Energiebilanz ihres Produktes noch positiver ein als die herkömmlicher Anlagen. Das Kugelkraftwerk benötige im Vergleich zu einer flachen Anlage nur einen Bruchteil der Solarzellen, deren Herstellung besonders energieintensiv sei. Die anderen benutzten Materialien wie Plexiglas und Metallschienen seien hingegen viel weniger aufwendig herzustellen.

So stellt sich die Frage, wann sich die neue Technologie durchsetzen wird. André Brößel sucht nun nach Kooperationspartnern, nachdem er seine Erfindung international patentieren ließ. Ein möglicher Interessent hat sich bereits gefunden. Der Stromriese RWE berichtete kürzlich in bezahlten Anzeigen über Facebook von den runden Brenngläsern zur Stromgewinnung. Ob RWE allerdings mit dieser Innovation vorweggehen will, bleibt abzuwarten.

Für diejenigen, die immer das Neueste haben müssen, gibt es allerdings bald Abhilfe: Rawlemon hat eine kleine Tischvariante fertig, Beta.ey genannt. Mit einer Kugel von zehn Zentimetern Durchmesser, zum Handyladen und als Tischlämpchen.