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Nutzung oder Schutz

EU-Meereskonferenz debattiert seit gestern über Verhältnis von Ökologie und Ökonomie. Umweltschützer kritisieren Ausbeutung der Ozeane

„Die Meeresumwelt muss als schutz- bedürftiger Eigenwert begriffen werden“

AUS BREMEN SVEN-MICHAEL VEIT

Es geht ums ganz Grundsätzliche: Ein „nachhaltiger Meeresschutz“ sei am besten „mit wirtschaftlichen Argumenten zu begründen“, glaubt Paul Nemitz, der Generaldirektor für Fischerei und Maritime Angelegenheiten bei der EU-Kommission. Anders sei „der Gleichklang aus wirtschaftlichem Wachstum, sozialem Wohlstand und Umweltschutz nicht umzusetzen“. Auf keinen Fall dürfe nur ökologisch geschützt werden, was sich ökonomisch rechnet, widerspricht Nadja Ziebarth von der Umweltorganisation Aktionskonferenz Nordsee: „Die Meeresumwelt muss als schutzbedürftiger Eigenwert begriffen werden.“

An dieser Konfliktlinie entlang referieren und diskutieren etwa 500 Fachleute und Lobbyisten seit gestern Abend drei Tage lang auf der internationalen Konferenz über die „künftige Meerespolitik der EU“ in Bremen. Auch die Spitzen von EU-Kommission und Bundesregierung werden vertreten sein auf dieser Tagung. Dabei wird die deutsche Position zum „Grünbuch Meere“ festgelegt, deren Entwurf die EU-Kommission im letzten Sommer veröffentlichte.

Dessen Endfassung wird im November in Lissabon erstellt werden – und dann wird, so hofft EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, im Grünbuch „mit konkreten Handlungsanweisungen“ festgelegt sein, wie vor allem die 22 Küstenländer der EU mit all dem Wasser um die europäische Halbinsel herum umzugehen haben.

Es geht um Schifffahrt und Fischerei, Offshore-Windenergie und die Förderung von Öl- und Gasvorkommen im Meeresboden, um Gifteinleitungen aus Industrie und Landwirtschaft, um Hochtechnologie und Tourismus – und somit um handfeste Interessen von Unternehmen, Verbänden und Nationen. All das solle in eine „ganzheitliche Sicht auf eine integrierte Nutzung“ einfließen, wünscht Barroso, damit „Europa seine Beziehungen zum Meer verbessern kann“.

Zum Beispiel in der Fischereipolitik, die sich bislang vornehmlich als Vernichtungsraubzug darstellt. 80 Prozent der Fischbestände in den europäischen Meeren sind überfischt, etliche Arten akut vom Aussterben bedroht. Weil somit in Nordatlantik, Ost- und Nordsee sowie dem Mittelmeer immer weniger Essbares schwimmt, importiert die EU mittlerweile fast zwei Drittel ihres Fischbedarfs aus anderen Ozeanen.

Dennoch werde die Fischereiproblematik im Grünbuch „weitgehend ausgeklammert“, kritisiert der Meeresbiologe Stephan Lutter vom World Wide Fund for Nature (WWF). Mit einem riesigen Kabeljauskelett, gebaut aus alten EU-Verordnungen, protestierte der WWF zum Auftakt der Konferenz gegen die EU-Politik. Lutter sieht im Entwurf des Grünbuchs „ein Werk, um maritime Wirtschaftssektoren zu optimieren und die EU weltweit wettbewerbsfähig zu machen – ohne Rücksicht auf die Umwelt“.

Seine Befürchtung bestätigte unverblümt am Montag der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, der Bremer Uwe Beckmeyer. Schifffahrt und Häfen spielten im internationalen Handel „eine wesentliche Rolle“, erklärte er. Dies gelte insbesondere für den „Exportweltmeister Deutschland“ und seine großen Seehäfen. Deshalb müsse es „unser Ziel“ sein, auf der Bremer Konferenz dafür zu sorgen, dass „die nationalen Wirtschaftssektoren weiter gestärkt werden.“

Genau dort, zwischen Lutter und Beckmeyer, verläuft die Konfliktlinie: Es geht um den Nutzen der Meere oder um ihre Nutzung.

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