LIEBESERKLÄRUNG
: Helmut Kohl

„KOHL-PROTOKOLLE“ HIN ODER HER – WAS WIR AN DER WALZ AUS DER PFALZ LIEBEN MÜSSEN, IST DIE KRAFT DER VISION

Was Helmut Kohl für aufgeklärte Menschen so schwer verdaulich macht, ist nicht seine Eigenart, die Welt auf das Niveau von Oggersheim runterzubrechen, oder die Tatsache, dass er seine Frau im Dunkeln hat sitzen lassen. Was Kohl verbrochen hat, ist, dass er recht hatte. Ja, Deutschland kann größer sein als die Bundesrepublik, ja, die Russen, Franzosen, Engländerinnen und Italiener, sogar die Polen und die Tschechen werden einer Wiedervereinigung zustimmen, wenn sie entschlossen (10-Punkte-Programm) und diplomatisch einfühlsam (Strickjacke) vorangetrieben wird.

Gegen dieses klare Erfassen der Möglichkeiten der geschichtlichen Stunde verblassen Kohls andere Erfolge. Zu nennen sind das Privatfernsehen, die Tatsache, dass er den Deutschen ihre geliebte DM weggenommen hat, nachdem er sie zuvor üppig ausgegeben hatte, deutsche Soldaten aus Kampfeinsätzen herauszuhalten, und sein genialer Coup, die Erniedrigung der Facharbeiter durch die Hartz-IV-Gesetzgebung denen zu überlassen, zu deren Stammwählern die Facharbeiter wesentlich gehörten: den verhassten „Sozen“.

Was wir an Kohl lieben müssen, ist also die Kraft der Vision. Was die Frage nach sich zieht, welche Visionen wir eigentlich haben. Energiewende? Macht Merkel (langsam kaputt). Deutschland als Exportstreber und sanfter Hegemon Europas? Macht Schäuble (immer schneller kaputt). Grundrecht auf Asyl (hat Kretschmann kaputtgemacht).

Und wenn wir unsere Visionen unverrückbar formuliert haben, dann sollten wir nicht vergessen, dass Kohl die seinen nur mit kriminellen Methoden Wirklichkeit werden lassen konnte. Solche oder ähnliche Radikalität in den Mitteln mag man nicht empfehlen; aber man muss doch fragen, ob handfester politischer Erfolg ohne sie möglich ist. AMBROS WAIBEL