Essenskooperative Dickes Bee

Eine neue Kooperative möchte sich gründen und sucht Foodies, um gemeinsam den ethischen Lebensmitteleinkauf zu organisieren

■  Dickes Bee – Laden-Foodcoop in Prenzlauer Berg (in Gründung)

– Die Gründungsfeier findet am 10. Juni im Projekt Stadtgarten statt, Allee der Kosmonauten 23.

– Im Netz: www.dickesbee.org

■  Liste mit Informationen zu Berliner Lebensmittelkooperativen:

www.coops.bombina.net/wiki/Coop_Liste

■  Gratis-Software, für Gruppen-Online-Bestellungen, speziell für Lebensmittelkooperativen:

www.foodcoops.net

Kathryn Werntz bezeichnet sich selbst als „Foodie“. Dieses Wort definiert sie für sich selbst so: ein Mensch mit einer Leidenschaft für Essen. Anders als Gourmets wollen Foodies nicht einfach nur bestes Essen, sondern interessieren sich in verschiedener Hinsicht für die Hintergründe ihres Essens. Herkunft, Produktionsverhältnisse und die Menschen hinter den Lebensmitteln spielen für sie eine wichtige Rolle.

Der Begriff „Foodie“ existiert im englischen Sprachraum mindestens seit den frühen 1980ern. Werntz, in und bei New York aufgewachsen, exportiert ihn nun nach Berlin, wo sie seit September 2009 lebt. Faktisch ebenfalls exportieren muss sie dabei die Idee von nach ethischen Kriterien angelegten Einkaufs- und Arbeitsgemeinschaften, die regelmäßig (mindestens wöchentlich) Lebensmittel und andere Produkte in größeren Mengen in ein Lager bestellen und intern verteilen. Solche Foodcoops (Fc) – übersetzt: Essenskooperativen – sind nach ihren Angaben an der US-Ostküste weit verbreitet – und rein nominell auch seit Jahrzehnten und zu Hunderten in Deutschland.

Doch die vielen im Internet auffindbaren Berliner Fcs genügen den hohen Ansprüchen der Amerikanerin nicht: Foodie Werntz will Gemeinschaftsgefühl, gemeinsames Arbeiten und penible Produktpolitik. Sie betrachtet die Berliner Fcs eher als Einkaufsgemeinschaften, denn als Kooperativen. Frustriert habe sie deshalb im vergangenen Winter beschlossen, selbst eine Fc ins Leben zu rufen: „Berlin ist dynamisch. Da geht so etwas.“

Online und über Bekannte hätten sich dann auch genug Interessierte gefunden, um das Projekt, das sie „Dickes Bee“ taufte, ernsthaft anzugehen. Derzeit seien es rund zwanzig Personen, die per Internet gemeinsame Essensbestellungen machen. Weitere Interessierte sind ebenso willkommen, wie Geld- und Sachspenden für die Infrastruktur.

Ein Glücksfall war es, ein Paar kennenzulernen, das ohnehin Anfang September einen Bioladen in der Straßburger Straße (Prenzlauer Berg) eröffnen will und dort auch ökologische Projekte unterstützen will. Einen eingetragenen Verein dafür gebe es bereits, so Werntz. Unter dessen Dach soll Dickes Bee als Laden-Fc eröffnet werden, was bedeutet: Die bestellten Produkte sind zum Teil für den Verkauf bestimmt und werden in einem Laden feilgeboten – zu einem höheren Preis, als er für Fc-Angehörige gilt, denn die übernehmen dafür Arbeitsdienste: Ladenschichten, Organisatorisches, Pflege des Facebook-Auftritts – die Aufgaben sind vielfältig.

Auch die Suche nach Essensquellen fällt darunter. Zwei Bauernhöfe sind bereits gefunden, sie lieferten vor wenigen Wochen zum ersten Mal (in einen Privathaushalt, weil der Dickes-Bee-Lager noch nicht steht). Das Projekt Stadtgarten in Lichtenberg und ein städtischer Imker sind ebenfalls Dickes-Bee-Lieferanten und somit auch -Angehörige. Nach Quellen für Getreide- und Milchprodukte wird derzeit im Berliner Umland gesucht. Auch Produkte aus dem Ausland und aus Übersee sind gefragt. Bedingung: Transparenz bezüglich der Herstellung.

Bei Dickes Bee ist der direkte Kontakt zu den Produzierenden wichtig. Alle Produktionsstätten sollen zumindest theoretisch besichtigt werden können. Werntz nennt mehrere Gründe, warum es wichtig ist, sich tiefer mit der Herkunft von Lebensmitteln zu beschäftigen. „Erstens: Biosiegel können nicht die einzige Lösung sein – allein schon, weil es verschiedene gibt, die verschiedene Aspekte betonen.“ Zweitens sagten Biosiegel nichts über Arbeits- und Lebensbedingungen der beteiligten Menschen und Tiere aus. Drittens gebe es auch nichtzertifizierte Betriebe, die Unterstützung verdienen.

Der Name der Fc ergab sich übrigens so: „Ich liebe Wortspiele, besonders sprachenübergreifende. Und ich kannte den Spitznamen Berlins aus dem Lied „Dickes B“ von Seeed. Irgendwann hatte ich das Bild einer dicklichen Biene vor Augen, die ein perfektes Maskottchen für eine Foodcoop abgeben würde. Der Name sollte zudem einen Berlinbezug haben, so dass er auch in anderen Nachbarschaften übernommen werden kann.“

Werntz möchte, dass Dickes Bee kopiert wird, denn „alle sollen sich gutes Essen leisten können“. Sie selbst lebt im Soldiner Kiez in Wedding, für sie ein „trauriger Ort“, eine „Essenswüste“, wenn auch nicht so schlimm wie in Teilen Brooklyns (New York), wo Werntz viele Jahre verbrachte und wo vielerorts die Versorgung mit frischem Obst und Gemüse nicht gewährleistet ist. Ihr Traum ist nun, Dickes Bee bis nächstes Jahr auch in den Soldiner Kiez zu bringen.

RALF HUTTER