Nach dem Patriarchat

Antje Schrupp entwirft die Vision einer Gesellschaft, in der selbstverantwortliche Menschen in allen Alters-, Wohn- und Familienformen einander nahe sind

Nun liegt eine explizit feministische Reaktion auf die Katastrophentheoretiker der Demografie vor: Mit „Methusalems Mütter“ antwortet Antje Schrupp auf den Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, der sich in seinem „Methusalem-Komplott“ und in „Minimum“ mit der gesellschaftlichen Alterung befasst hat.

Solche Bücher seien, so Schrupp, „Dokumente des gescheiterten Patriarchats“. Erst jetzt spreche sich da herum, dass die weibliche Freiheit – zu gebären oder nicht – relevante Folgen für alle habe, und nun sei die Panik groß. Der Angst vorm massenhaften einsam-verarmten, verachteten Alter hält Schrupp die Vision einer Gesellschaft entgegen, in der selbstverantwortliche Menschen in allen Alters-, Wohn- und Familienformen einander nahe sind: so beziehungsreich, wie Frauen es laut Schrupp schon immer waren.

Ohne Scheu vorm Klischee pflegt Schrupp den sich seiner selbst vergewissernden „Frauen wissen, Frauen können“-Stil. Ihr Theoriegerüst entlehnt sie dem italienischen Feminismus der 1980er- und 1990er-Jahre. Emanzipation definiert sie als bloße Übernahme der männlich-bürgerlichen Werte Unabhängigkeit oder Konkurrenz durch die Frau und daher als Teil des demografischen Problems. Feminismus dagegen hält Schrupp für die Lösung: eine Aufwertung des weiblichen zivilisatorischen Beitrags, also das Anerkennen, dass es ohne Kümmern und Sorgen nicht geht.

Der interessanteste Aspekt Schrupps ist, wie sich die weibliche Emanzipationsgeschichte auf das Alter übertragen lässt. Während Schirrmacher die Altersdiskriminierung eher mit dem Rassismus analogisiert, weist Schrupp zu Recht darauf hin, dass die großen Feministinnen Simone de Beauvoir und Betty Friedan nicht zufällig auch große Werke über das Alter geschrieben haben.

Denn nicht nur ist die Rolle der alten Frau noch einmal ein besonderes Kapitel im Patriarchat. Auch weist die Art der Diskriminierung von Frauen und Alten signifikante Gemeinsamkeiten auf: Etwa sind weder Frauen noch Alte Minderheiten. Frauen wie Alten wird vor allem Schwäche und deshalb Zweitrangigkeit zugeschrieben. Die Stereotypenbildung funktioniert dabei über den Körper, von dem auf den Geist geschlossen wird.

Doch geht Schrupp dem nicht nach. Stattdessen dekliniert sie auf Grundlage nahezu derselben Quellen wie Schirrmacher den gesamten Komplex der Alterung durch: dass das kalendarische Alter nicht das gefühlte Alter ist, dass Alterszufriedenheit von der Einstellung abhängt. Gnädig oder trotzig ignoriert sie dabei – wie Schirrmacher – sämtliche Erkenntnisse der Medizin darüber, warum jenseits des 70. Geburtstags eben doch die ein oder andere gesundheitliche Bedrohung lauert. Nicht zuletzt deshalb rutscht Schrupps Analyse allzu bald auf ein Genre zwischen Besinnungsaufsatz und Apotheken-Umschau ab: „Es ist also keineswegs unsinnig, sich mit Gedächtnistraining, Aktivität usw. ‚fit‘ zu halten“ – und so weiter. Schade um den Versuch – die Idee war richtig.

ULRIKE WINKELMANN

Antje Schrupp: „Methusalems Mütter. Chancen des demografischen Wandels“. Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2007, 200 Seiten, 16,90 Euro