Es werde Licht in Marokko

SONNENAUFGANG Am Rand der Sahara entsteht das weltgrößte Solarkraftwerk. Es soll auch Strom für Europa produzieren

MADRID taz | Die Desertec Industrieinitiative (Dii) geht, das, was als Vorzeigeprojekt gepriesen wurde, bleibt. In Ouarzazate, am Rand der marokkanischen Sahara – 200 Kilometer östlich von Marrakesch –, entsteht das weltgrößte Solarkraftwerk. 500 Megawatt (MW) Kapazität soll es bis 2020 haben. Seit Mai baut ein Konsortium rund um die saudi-arabische Firma ACWA und die spanische Acciona am ersten von vier Kraftwerken mit dem Namen Noor – was auf Arabisch Licht heißt.

Es handelt sich um ein solarthermisches Parabolrinnenkraftwerk mit 160 MW. Zwischen 600 und 700 Millionen Euro wird es kosten. Zwei weitere Kraftwerke in Ouarzazate sind derzeit ausgeschrieben.

Der marokkanische Solarplan sieht insgesamt 2.000 MW im ganzen Land vor und kostet 6 Milliarden Euro. Das Projekt hat den Segen von ganz oben, es wurde Ende 2009 von König Mohamed VI. höchstpersönlich ins Leben gerufen. Die marokkanische Solaragentur (Masen) wurde gegründet.

Bis 2020 will Marokko 42 Prozent der installierten Gesamtleistung zur Stromerzeugung mit erneuerbaren Quellen betreiben. Dafür sollen auch Wind- und Wasserkraft um je 2.000 MW ausgebaut werden. Derzeit verfügt Marokko über eine Kraftwerkskapazität von 6.127 MW. 2020 sollen es 14.000 MW sein. Marokko hängt bisher zu 95 Prozent von Öl-, Gas- und Stromimport ab.

Doch der Solarplan hat einen schwachen Punkt. Marokkos Endverbraucher zahlen aktuell rund 5 Eurocent für die Kilowattstunde (kW/h) Strom. Zum Vergleich: In Spanien erhalten Betreiber solarthermischer Kraftwerke je nach Marktsituation einen Tarif zwischen 26,8 Cent und 36,3 Cent/kWh. Darunter wird Marokko sicher bleiben, denn die Sahara hat 20 Prozent mehr Sonneneinstrahlung als Südspanien.

Dennoch bleibt eine beträchtliche Lücke zwischen lokalen Verbraucherpreisen und realen Kosten, die von Kennern der Branche auf 10 Cent je Kilowattstunde geschätzt wird. Bei der ersten Baustufe kann dies durch internationale Finanzierungshilfen von Institutionen wie der Weltbank und auch der Bundesregierung, die das Projekt mit insgesamt 115 Millionen Euro fördert, aufgefangen werden.

Für „eine Übergangsphase“ setze Masen auf den Stromexport nach Europa, erklärte der Chef der Solaragentur, Mustapha Bakkoury, bei der Solar-Maghreb-Konferenz im Mai 2011 in Casablanca. Desertec-Vertreter saßen mit am Tisch. Keinen Monat später unterzeichnete er mit der Dii ein Kooperationsabkommen. Masen sollte die Projekte entwickeln, und Dii wollte erreichen, dass die Europäische Union die wirtschaftlichen und regulatorischen Bedingungen für den Stromimport aus Nordafrika schafft. Das ist jetzt Geschichte.

REINER WANDLER