Von schier unerschütterlichem Optimismus

KINDSKOPF Im heute erscheinenden Album von Farin Urlaub reimt sich „Dynamit“ auf „Architekturkritik“. Und man kann mitgrölen

Der Mann ist ein Kindskopf. Zweifellos. Ihm daraus einen Vorwurf zu stricken, führt allerdings am Thema vorbei. Denn gerade sein bisweilen infantiler Humor, so steht zu vermuten, hat dafür gesorgt, dass Farin Urlaub, Musiker, Hobbyfotograf und Dauerreisender, so berühmt geworden ist, wie er ist. Und das ist: sehr berühmt.

Das wird man auch wieder sehen, wenn heute das neue Album des Farin Urlaub Racing Teams, abgekürzt FURT, erscheint. Es trägt den Titel „Faszination Weltraum“ und wird, da muss man kein allzu talentierter Prophet sein, eine Spitzenposition in den deutschen Charts erklimmen. So, wie es regelmäßig die Alben von Die Ärzte tun, bei denen Urlaub Gitarre spielt, singt und die meisten Songs schreibt, und so, wie es ihm bereits mit seinen drei vorherigen Solo-Alben gelang.

Da bewies Urlaub, dass er hauptverantwortlich dafür ist, dass Die Ärzte nicht nur, wie ihre Eigenwerbung behauptet, „die beste der Band der Welt aus Berlin“ sind, sondern schon lange zu den vier, fünf größten deutschen Rockbands gehören. Während die Alleingänge seines langjährigen Mitmediziners Bela B. – wie das im Frühjahr erschienene „Bye“ – zwar von den Kritikern für ihre liebevolle Umsetzung von Americana- und Country-Klischees gelobt und vom breiten Publikum ignoriert werden und Ärzte-Bassist Rod Gonzales in seiner Freizeit so ironische wie schmissige Disco-Nummern produziert, die kaum jemand hören will, schafft es Urlaub, den Ärzte-Erfolg umfassend in sein Schaffen als Solist hinüberzuretten.

Wie das sein kann? Ganz einfach: Der mittlerweile 50-jährige Urlaub, der bei den Ärzten bisweilen von seinen beiden Mitstreitern korrigiert und gebremst wird, kann den Kindskopf endlich vollkommen ungehindert rauslassen. So bleibt ungeklärt, was der Titel „Faszination Weltraum“ bedeuten mag und in welchem Zusammenhang er zum Cover-Foto steht, das Urlaub in einem Football-Rüstung zeigt. Nicht, dass ihm nicht auch das eine oder andere hübsche Sprachbild gelingt, aber grundsätzlich kann er nun, statt sich vom etwas hintergründigeren Humor von Bela B. einschränken zu lassen, Dynamit zu „Architekturkritik, die man tatsächlich sieht“, erklären oder unwidersprochen Zeilen singen wie: „Literatur ist wichtig, aber wir leben nicht von Buchstaben allein / Gelegentlich kann das Niveau auch flacher sein.“

Äh, ja. Noch schwerer aber wiegt wohl die Abwesenheit von Gonzales’ musikalischer Kompetenz und Belas Interesse an allem Abseitigen. Während es den Ärzten immer wieder gelingt, dem bisweilen brachialen Witz Urlaubs eine zusätzliche Ebene beizubringen, darf das FURT vor allem schön geradeaus rocken.

„Find ich gut“ kommt zwar im Cha-Cha-Cha-Rhythmus daher, „Heute tanzen“ ist ein Ska und „Das Traurigste“ beginnt als streicherschwere Ballade, aber meistens wird im Viervierteltakt gebollert, die Gitarren brettern bei jeder Gelegenheit, und verwendet wird bevorzugt die nächstliegende Melodielinie. Diese Musik füllt nicht nur Stadien, sie lässt sich dort auch hervorragend mitgrölen.

Aber egal: Jedes Geunke kontert Jan Vetter, wie Urlaub bürgerlich heißt, mit schier unerschütterlichem Optimismus: „Verlier nicht den Mut“ reimt er auf „Alles wird gut“ und „Lass dich nicht gehn“ auf „Zähl einfach bis zehn“. Häme haben deswegen weder Farin Urlaub noch seine Fans verdient. Und sie läuft bekanntlich eh ins Leere.

THOMAS WINKLER

■ Farin Urlaub Racing Team: „Faszination Weltraum“