HUMANITÄRE HILFE

Die Situation für die Hilfsorganisationen wird schwieriger

Auch nach dem Attentat auf die Bundeswehr am Wochenende in Kundus sehen Sicherheitsfachleute in Afghanistan keinen Anlass für Wiederaufbauhelfer, ihre Arbeit im Norden des Landes einzustellen. „Die Sicherheitslage in Nordafghanistan hat sich seit 2005 kontinuierlich verschlechtert. Aber die Angriffe richten sich zumeist nicht gegen Nichtregierungs-Organisationen (NGO), sondern gegen das ausländische Militär“, so ein Sicherheitsfachmann in Masar-i-Scharif, der nicht genannt werden möchte.

Zwar hat die Deutsche Welthungerhilfe vor einem Monat in Kundus einen afghanischen Mitarbeiter verloren, nachdem bereits zuvor ein deutscher Ingenieur in Sar-i-Pul erschossen wurde. Doch Sicherheitsexperten sehen darin eher Gelegenheitsschläge als gezielte Angriffe auf deutsche Wiederaufbauhelfer. Anders sieht die Situation im Süden Afghanistans aus, wo schon seit Jahren nur wenige Ausländer im Einsatz sind und afghanische Mitarbeiter ausländischer NGOs regelmäßig Opfer von Attentaten werden.

Zwar hat die Deutsche Welthungerhilfe vorerst ihre Arbeit in Kundus und Sar-i-Pul eingestellt, ist aber nicht ganz aus Afghanistan abgezogen. „Wir lassen die arme und Not leidende Bevölkerung in Afghanistan nicht im Stich“, so Generalsekretär Hans-Joachim Preuß. Allerdings werde seine Organisation ihre Aktivitäten im Land reduzieren, wenn sich die Sicherheitslage weiter verschlechtere.

Bisher haben nur wenige Hilfsorganisationen ihre Arbeit in Afghanistan aufgrund von terroristischen Aktivitäten eingestellt. Die einzige größere NGO, die ihre Mitarbeiter bisher aus dem Hindukusch abgezogen hat, ist Ärzte ohne Grenzen, die 2004 bei einem Attentat in der nordwestlichen Provinz Baghdis vier Mitarbeiter verloren hat. Und auch diese Entscheidung war intern umstritten.

Kürzlich zog sich eine kleinere zentralasiatische NGO aus Nordafghanistan zurück, nachdem sie angegriffen wurde. Doch das Klima kann schnell kippen. Wie eine Mitarbeiterin der japanischen NGO Peace Winds berichtet, die zu den wenigen Ausländern gehört, die nach dem Tod des deutschen Ingenieurs noch in Sar-i-Pul arbeiten, werden in Japan immer öfter Stimmen laut, die NGOs dazu auffordern, ihre Arbeit in gefährlichen Regionen wie Irak und Afghanistan einzustellen.

In Afghanistan hätte ein breiter Abzug der Wiederaufbauhelfer verheerende Konsequenzen. Denn schon jetzt sind sich Experten einig, dass der Krieg gegen die Taliban nur gewonnen werden kann, wenn es der Bevölkerung spürbar besser geht. Und das ist mit Panzern und Raketen nicht zu erreichen.

BRITTA PETERSEN