: „Von beiden Kulturen das Beste“
INTERKULTURELLE KITA Diese Woche eröffnete in Bremen der deutsch-chinesische Kindergarten „Drachenkinder“. Man wolle keine Elite züchten, sagt eine Initiatorin
■ 36, geboren in Saigon, Grafikdesignerin und Grundschullehramts-Studentin. Sie hat eine dreijährige Tochter und ist Vorstandsmitglied der „Drachenkinder“
INTERVIEW JOHANN TISCHEWSKI
taz: Warum schicken Eltern ihre Kinder in einen deutsch-chinesischen Kindergarten?
Muoi Austen: Es geht ihnen vor allem darum, ihren Kindern eine zweite Sprache und eine zweite Kultur mit auf den Weg zu geben. Um das gleich klarzustellen: Wir wollen nicht die wirtschaftliche Elite von morgen heranzüchten.
Ist das ein Vorwurf, mit dem Sie häufiger konfrontiert werden?
China ist eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, da stellt sich die Frage natürlich. Für die Eltern in unserem Kindergarten ist das jedoch kaum ein Thema. Es geht uns eher um Völkerverständigung.
Haben die Kinder in ihrem Kindergarten in der Regel nicht schon familiär einen zweisprachigen Hintergrund?
Ja, das ist in der Tat oft der Fall – aber nicht unbedingt deutsch-chinesisch. Es gibt Elternteile aus Portugal, aus dem Iran oder aus Vietnam.
Ist es für ein Kind nicht unglaublich schwer, Chinesisch als zweite oder gar dritte Muttersprache zu lernen?
Kinder machen nicht so einen Unterschied zwischen Chinesisch und sagen wir Französisch wie Erwachsene. Ihre Gehirne sind noch flexibler. Wichtig ist, dass sie früh genug anfangen. Je später, desto schwieriger.
Die chinesische Sprachfamilie umfasst mehr als 300 Sprachen. Sprechen die drei chinesischen Erzieherinnen bei Ihnen alle das gleiche Chinesisch?
Ja, darauf haben wir sehr geachtet. Die Umgangssprache im Kindergarten ist Hochchinesisch.
Neben der chinesischen Sprache wollen Sie auch die Kultur vermitteln. Was gab es in dieser Woche bei Ihnen zu Essen?
Wir bekommen das Essen geliefert. Aber natürlich essen wir auch chinesisch. Zudem begehen wir beispielsweise gemeinsam die chinesischen Feiertage.
Auch den chinesischen Nationalfeiertag, den 1. Oktober, der an die Gründung der Volksrepublik erinnert?
Nein, wir wollen die Kinder ja nicht indoktrinieren oder so. Wir sind weder religiös noch politisch.
Und wie gehen Sie damit um, wenn ein bekannter Regimegegner inhaftiert wird? Ignorieren Sie das einfach?
Natürlich hat jeder seine eigene Position zu so etwas. Wenn Kinder von sich aus nach so etwas fragen, müssen sie auch eine ehrliche Antwort bekommen, aber wir wollen eine gezielte Beeinflussung vermeiden.
Bestseller-Autorin Amy Chua findet die westliche Erziehung zu weich. Sie plädiert für mehr Drill. Ein Mittel zum Erfolg?
Um ein Buch millionenfach zu verkaufen sicher schon. Aber nicht für die Kindererziehung.
Orientieren Sie sich eher am europäischen oder am chinesischen Erziehungsstil?
Wir versuchen von beiden Kulturen das Beste mitzunehmen.
Und was wäre das Beste?
Beim deutschen Erziehungsstil ist der Freiraum hervorzuheben. Die Kinder werden zum eigenständigen Denken erzogen. Dafür wird in China mehr Wert darauf gelegt, einen Gemeinschaftssinn zu schaffen und Hilfsbereitschaft zu vermitteln.
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