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Archiv-Artikel

Die ewige Aktivistin

Wenn die Ewigkeit, zumal die gefühlte Ewigkeit, Gesichter hat, dann trägt Jutta Sundermann sicher eines von ihnen. Die Vollzeitaktivistin gehörte im Jahr 2000 zu den MitgründerInnen des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und zählte seither zu den treuesten Gesichtern der Organisation. 14 Jahre war ihr politischer Weg eng an deren Entwicklung geknüpft, zuletzt arbeitete sie sieben Jahre im Attac-Koordinierungskreis mit. Nun gehen Sundermann und Attac getrennte Wege.

Am Montag verspritzte die 43-Jährige in Berlin eine Portion Dünger. Es ging um die Düngeverordnung, das Artensterben, die Trinkwasserbelastung – und um Sundermanns neues politisches Zuhause, die „Aktion Agrar“. Weil Sundermann, die als gefragter Dauergast bundesweit zum Standardinventar bewegungsnaher Podiumsdiskussionen zählt, künftig vor allem zu diesen Themen arbeiten will, hat sie Attac den Rücken gekehrt.

Ihr Weggang dürfte das Netzwerk schmerzen. Einerseits verzeichnet Attac bei seiner Anti-TTIP-Kampagne Zulauf, andererseits gibt es Streit mit dem Finanzamt. Es geht um Attacs Gemeinnützigkeit. Sundermann – ruhige Stimme, viel Geduld – kümmerte sich in der Vergangenheit um Finanzen und Fundraising, spielte in etlichen Attac-Kampagnen eine zentrale Rolle und begleitete viele der oft mühevollen Grundsatzdebatten. Eine solche – es ging um Basisdemokratie versus Professionalisierung, unbezahlte Aktivisten versus Fachreferenten – bescherte auch ihr selbst mäßige Arbeitsbedingungen: Ihre bis zu 50 Wochenarbeitsstunden für Attac wurden nie vergütet. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie als „Bewegungsarbeiterin“ seit Jahren von Spendengeldern.

Leidiglich den Streit mit dem Finanzamt will Sundermann noch für Attac zu Ende führen. Ansonsten hat sie sich aus allen Strukturen zurückgezogen. Es sei „Zeit für etwas Neues“.

Nun wohnt Sundermann wieder bei Verden. Dort hat sie jene Hofgemeinschaft bezogen, in der unter anderem Campact-Gründer Christoph Bautz und der Geschäftsführer der Bewegungsstiftung, Matthias Fiedler, wohnen – das Örtchen, an dem Attac einst entstand. MARTIN KAUL