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Neues von den Mußlebisten

Joachim Siegerists Wahlbündnis „Bremen muß leben“ pflegt sein Knalltüten-Image: Obwohl nur sechs KandidatInnen den Sprung in die Beiräte geschafft haben, sind sie hoffnungslos zerstritten

von BENNO SCHIRRMEISTER

Gecrasht war das rechtspopulistische Bündnis „Bremen muß leben“ von Joachim Siegerist schon am Wahltag. Mittlerweile pulverisiert es sich: Mindestens zwei der sechs Mußlebisten, die ein Beiratsmandat errungen haben, wollen mit Siegerist nichts mehr zu tun haben. Auslöser ist ein Streit um die Wahlkampfkostenerstattung, auf die das Bündnis – Wahlergebnis: 1,63 Prozent – Anspruch hätte erheben können.

In einem Schreiben „an den Kreis der Freunde in Bremen“ kündigt Siegerist in Stummeldeutsch an, darauf zu verzichten: „Ich immer ein entschiedener Gegner der staatlichen Parteienfinanzierung.“ Das sei „eine Entscheidung von Siegerist“ gewesen, so der – bündnistreue – Hemelinger Mandatsträger Peter Riedel, die, wie er sich schließlich besinnt, „eine Landesmitgliederversammlung“ abgesegnet habe. Zu der waren dissidente Mitglieder offenbar nicht geladen: Sie mahnen „eine plausible Erklärung“ an – und fragen, wann der Beschluss fiel.

Die Kommunikation findet schriftlich, teils nur noch via Anwalt statt: So fand Monika Boldt, Mitglied des Ortsbeirats Gröpelingen, Mitte August einen Brief der in rechtsradikalen Kreisen geschätzten Hamburger Strafverteidigerin Gisa Pahl im Postkasten.

Die Anwältin offenbarte sich darin als mit der Vertretung Siegerists betraut. Boldt, so der Vorwurf, habe – im Schreiben nicht näher spezifizierte – „unwahre und strafrechtlich relevante Dinge über Gelder und über meinen Mandanten“ geäußert. Das habe Boldt künftig zu unterlassen. Andernfalls sei sie, Pahl, beauftragt, juristisch gegen Boldt vorzugehen. Auch umgekehrt ist der Ton nicht von Herzlichkeit geprägt: „Ich kann mir allenfalls den Vorwurf machen, dass ich auf Sie hereingefallen bin“, heißt es beispielsweise in einem Brief von Heinrich Dege an den ehemaligen Bild-Bremen-Schreiber. Dege sitzt im Beirat Osterholz. Sein Mandat nehme er „unauffällig“ wahr, so die Auskunft – im Gegensatz zum DVU-Beiratsmitglied Bernd Gaida, der noch überhaupt nicht aufgetaucht sei.

Im Dezember 2006 hatte Siegerist sein Bündnis gegründet: Mit Lebkuchenherzen sorgte der Politabenteurer für gute Stimmung – und versprach seinen Anhängern, man werde bei der Bürgerschaftswahl 20 Prozent der Voten holen. Eine Vorhersage, an der er auch dann noch festhielt, als kurz vor der Wahl nicht eine der Umfragen nennenswerten Zuspruch für den lokalen Ableger der „Deutschen Konservativen“ registrierte.

Was so erstaunlich nicht war. Schließlich pflegten die Mußlebisten im Wahlkampf ein munteres Knalltüten-Image: In Bremerhaven piddelten sie Kaugummis vom Pflaster, in Einkaufszentren wurden ältere MitbürgerInnen mit Hilfe spendierter Maiglöckchen-Buketts in Gespräche verwickelt, vereinzelt hängte man geradezu sittenwidrig hässliche Plakate auf.

Gut fanden das ganze 1,63 Prozent der BremerInnen – die den Mußlebisten Beiratsmandate in Hemelingen, Blumenthal, Vahr, Osterholz, Obervieland und Gröpelingen verschafften. Siegerists „Konservative Zeitung“ feiert sie im August allesamt mit Bildchen und Kurzporträt – obgleich Boldt sich da schon seit Wochen von der Formation losgesagt hatte. Schritt, den sie bei der konstituierenden Sitzung des Stadtteil-Gremiums bekräftigte: „Das erste, was sie getan hat, war das Schildchen umzudrehen“, so der Gröpelinger Beiratssprecher Dieter Adam (SPD), „und zu erklären, dass sie mit Siegerist nichts mehr zu tun hat.“

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