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Die Schneekönigin

Wie eine Schneekönigin erschien Katherina Reiche (Foto) mitunter, wenn sie – kühles Gesicht, schwarzer Bob – ins Plenum des Bundestags einschwebte. Seit 1998 war die Brandenburgerin Abgeordnete, seit 2009 parlamentarische Staatssekretärin, zuletzt im Bundesverkehrsministerium.

Aber was heißt „war“? Katherina Reiche hat zwar ihren Posten als Staatssekretärin zur Verfügung gestellt, und zwar exakt einen Tag bevor das Kabinett den Gesetzentwurf zu Karenzzeiten von Spitzenpolitikern beraten würde. Aber ihr Mandat, das behält sie bis zum letztmöglichen Tag. Das ist der 1. September 2015.

An diesem Tag tritt sie dann ihre neue Stelle als Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) an, des Lobbyvereins der Wasserwerker und Müllentsorger. Diesen Vorgang nennt man einen nahtlosen Wechsel von der Politik in die Wirtschaft.

Katherina Reiches Seitenwechsel ist nicht nur terminlich pikant. Es gehört schon Chuzpe dazu, auf den letztmöglichen Drücker den Abgang zu machen, bevor das einem die Regierung – der sie ja selbst angehörte – untersagen könnte. Der Neuanfang Reiches zeigt auch sehr schön auf, wie finanziell potent ein Lobbyverein wie der VKU mittlerweile ist. 50.000 Euro soll der seiner künftigen Mitarbeiterin monatlich zahlen.

Ein schönes Plus für eine Abgeordnete, die als Staatssekretärin bislang insgesamt rund 19.000 Euro aufs Girokonto überwiesen bekam. Hinzu kamen jährliche Kosten von 300.000 Euro für ein eingerichtetes Büro samt Sekretariatspersonal sowie einen Dienstwagen samt Fahrer.

Der Bund der Steuerzahler kritisiert das seit Langem. Aber das muss Katherina Reiche ja nicht mehr interessieren. ANJA MAIER

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