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Bio soll sich endlich rechnen

ERNÄHRUNG Öko kommt immer mehr auf den Teller, aber nicht in gleichem Maße auf den Acker. Das ließe sich ändern: Den konventionellen Landwirten müsste das Leben schwerer gemacht werden, damit Biobauern mehr Chancen im Wettbewerb hätten

Die Biofach

■ Die Messe: Am Mittwoch startet in Nürnberg die Biofach, die „Weltleitmesse für Biolebensmittel“, wie sie sich selbst nennt. Sie findet zum 26. Mal statt und dauert vier Tage. Rund 2.200 Aussteller haben sich angemeldet, ein Plus zum Vorjahr. 70 Prozent davon kommen aus dem Ausland.

■ Die Themen: Mehr als 40.000 internationale Fachbesucher werden erwartet, die sich nicht nur mit dem ökologischen Landbau, sondern auch mit modernen Vertriebswegen, der Zukunft der Tierhaltung, mit besseren Kontrollen von Biolebensmitteln, aber auch mit neuen Marketingmethoden beschäftigen werden. Wichtige Trends, die in der Branche diskutiert werden, sind Nachhaltigkeit, Regionalität und neue Modelle von Sharingwirtschaft. Außerdem im Aufwind: Biofastfood.

VON JOST MAURIN

Die Sonnenblumenkerne für mein Biobratöl kommen aus Rumänien, die Ökoäpfel aus Italien und das Biofrühstücksei wurde mit Futter aus der Ukraine erzeugt. Geht das nicht auch ein bisschen regionaler? Rund 40 Prozent der in Deutschland verbrauchten Bioäpfel und -möhren und etwa 20 Prozent des Getreides kamen 2012/13 aus dem Ausland, hat die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft errechnet. „Da haben wir noch Luft nach oben“, sagt Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der die deutsche Biobranche vertritt.

Doch die hiesige Landwirtschaft weitet die Ökoproduktion schon seit Jahren viel langsamer aus, als die Nachfrage steigt. 2013 gaben die Konsumenten laut BÖLW 7,2 Prozent mehr für Biolebensmittel aus als im Vorjahr – aber die Bauern stellten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge nur 2,6 Prozent mehr Äcker und Wiesen auf Bio um. Kommende Woche präsentiert der BÖLW die Zahlen für 2014 – auf der weltgrößten Ökomesse, der Biofach in Nürnberg. Röhrig verrät der taz schon jetzt: „Die Fläche ist stärker gewachsen als 2013, aber wieder deutlich weniger als der Markt.“ Der Sektor bleibt auf einem niedrigen Niveau. 2013 waren nur 6,4 Prozent der Agrarfläche öko. Was für ein Widerspruch, wenn man bedenkt, wie dominant Bio inzwischen in Supermärkten beworben wird.

Noch immer zahlt sich der Umstieg aus Sicht vieler Bauern nicht richtig aus. Daten des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts zeigen: In den Wirtschaftsjahren 2012/2013 und 2013/2014 haben Ökobetriebe wegen der stark gestiegenen Preise für konventionelle Rohstoffe im Schnitt erstmals seit der Jahrtausendwende weniger als die herkömmliche Konkurrenz verdient.

Zwar sagt Wolfram Dienel, Bioexperte des Deutschen Bauernverbands: „Seit der letzten Ernte dürfte im Ökolandbau wieder mehr verdient werden als im konventionellen.“ Denn die Preise für herkömmliche Milch beispielsweise sind 2014 eingebrochen, während die für Bioware stabil blieben. Doch gleichzeitig räumt Dienel ein, dass der neue Vorsprung der Ökos wohl minimal ist.

Damit Biobetriebe hierzulande rentabler werden, müssten Billigimporte besser kontrolliert werden, sagen Brancheninsider. Zu oft werde im Ausland zu lax geprüft. Der Bauernverband will auch, dass Lebensmittelhersteller mehr mit regionalen Rohstoffen werben.

Der Staat müsse die deutschen Biolandwirte stärker subventionieren, fordern Ökoverbände wie Bioland. 2015 bekommen Bauern je nach Bundesland zwischen 145 und 273 Euro je Hektar dafür, dass sie nach der Umstellungsphase bei Bio bleiben. Bioland fordert, dass Bund und Länder den Bonus auf 300 Euro anheben. Wenigstens zahlen in diesem Jahr wieder alle Bundesländer Ökoprämien.

Doch sie sind nichts im Vergleich zum Geldregen, den das Erneuerbare-Energien-Gesetz verursacht hat. Mit bis zu 2.000 Euro pro Hektar finanzieren die Stromverbraucher laut BÖLW, wenn Mais für Biogasanlagen angebaut wird. Daran wird sich kaum etwas ändern, bestehenden Biogaskraftwerken sind die hohen Abnahmepreise für 20 Jahre garantiert. Hinzu kommt für den Ökolandbau eine weitere starke Konkurrenz: die Fleischwirtschaft. In Niedersachsen etwa zahlen Massentierhalter Pachtpreise von mehr als 1.000 Euro pro Hektar – in erster Linie, um Gülle auf den Acker zu fahren. Da kann kein Biobauer mithalten, selbst mit Umstellungsprämie. Mehr helfen würden fairere Wettbewerbsbedingungen.

Die Konkurrenz kann ihre Erträge steigern, indem sie zum Beispiel mit Ackergiften Schädlinge und Unkraut vernichtet, mehr Dünger verwendet, als im Biolandbau erlaubt ist, und Tiere auf weit weniger Platz zusammenpfercht. Das aber stresst Boden, Tiere und Wasser. Die konventionelle Landwirtschaft steigert ihren Gewinn also auf Kosten der Umwelt und der Gesellschaft – anders als die Bios.

Professor Gerold Rahmann ist Leiter der Ökoabteilung des Thünen-Instituts – und ein Freund klarer Ansagen. Eine seiner Empfehlungen für mehr Bio in Deutschland lautet: „Verbietet alle Pestizide!“ Das würde nicht nur einen Wettbewerbsvorteil der konventionellen Landwirtschaft streichen, sondern „einen gewaltigen Innovationsschub geben“. Denn wenn niemand mehr chemisch-synthetische Ackergifte benutzen darf, würde auch mehr geforscht werden, wie man Pflanzen chemiefrei anbauen kann.

Auch eine Steuer auf mineralische Stickstoffdünger, die nur konventionelle Bauern benutzen dürfen, würde die Position der Biolandwirte stärken. Und strengere Regeln für die Tierhaltung, die auf der Ökoseite sowieso eingehalten werden: zum Beispiel, dass Schweine Auslauf haben müssen und ihnen nicht die Ringelschwänze abgeschnitten werden dürfen.

Man könnte also sagen: Alles, was nur die konventionelle Landwirtschaft teurer macht, ist gut für Bio. Kein Wunder, dass da der hauptsächlich von herkömmlichen Betrieben dominierte Bauernverband sein Veto einlegt.

Der Fachausschuss Ökolandbau der mächtigen Lobbyorganisation ist aber bei Rahmann, wenn er mehr Geld für die Entwicklung neuer Biomethoden fordert. Der Staat gibt dem Forscher zufolge jährlich rund 3,5 Milliarden Euro für die Agrarforschung aus, aber nur 2 Prozent für den Ökolandbau. Bioland verlangt, dass der Satz auf 20 Prozent erhöht wird.

Die Bundesregierung ging bisher genau in die andere Richtung. Agrarminister Christian Schmidt gehört zwar zur CSU, und Bayern zahlt so viel wie kein anderes Land. Aber in Berlin bremst der Koalitionspartner CDU. Schmidt verspricht, eine „Zukunftsstrategie“ für mehr Bio zu erarbeiten – doch dafür will er sich geschlagene zwei Jahre Zeit lassen. Neue Steuern auf Dünger lehnt er sowieso ab.

Soll man jetzt also statt Bio lieber konventionelle Lebensmittel kaufen, wenn man auf regionale Herkunft Wert legt? Auf keinen Fall. Denn auch wenn 80 Prozent des Bioobstes und 40 Prozent des Biofrischgemüses importiert werden: Das konventionelle Obst kommt dem Deutschen Fruchthandelsverband zufolge ebenfalls zu 80 Prozent aus dem Ausland – und das Gemüse sogar zu rund 70 Prozent.

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