Abschiebung im Morgengrauen

ROMA Familie S. wird abgeschoben, bevor die Bürgerschaft über ihre Petition entscheiden kann. Grüne und Linke fordern Winter-Abschiebestopp für Roma

„Der SPD-Senat setzt sich über jede Menschlichkeit hinweg“

Mehmet Yildiz (Die Linke)

Sie kamen am Mittwochmorgen um 4.20 Uhr, um das Ehepaar S. abzuholen. Mitarbeiter der Ausländerbehörde, Polizisten und ein Arzt standen vor der Flüchtlingsunterkunft in Billstedt, um die beiden Roma nach Serbien abzuschieben. Sie wurden nach Berlin gefahren und dort in eine Maschine nach Belgrad gesetzt, so Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde. Und das, obwohl die Hamburger Bürgerschaft erst am gestrigen Abend über die Petitionen von Abschiebung bedrohter Roma-Familien entscheiden wollte. „Mit dieser Nacht- und Nebelaktion setzt sich der SPD-Senat über jede Menschlichkeit hinweg“, sagt der Abgeordnete Mehmet Yildiz (Die Linke).

Die Eheleute S. waren Anfang 2010 nach Deutschland eingereist. Ihr Asylantrag wurde vom Verwaltungsgericht abgelehnt, unter anderem wegen schwerer Erkrankungen von Frau S. erhielten sie mehrere Duldungen bis zum heutigen 27. Oktober 2011. In Hamburg leben rund 1.500 Roma, größtenteils akut von Abschiebung bedroht und fast alle aus dem ehemaligen Jugoslawien. Innensenator Michael Neumann (SPD) hatte zwar im Mai eine „ernsthafte Einzelfallprüfung“ und „humanitäre Lösungen“ zumindest für einige von ihnen in Aussicht gestellt. Bisher ist aber nach Angaben des Flüchtlingsrats keine einzige Petition positiv beschieden worden.

In mehreren Balkan-Staaten werden Roma und Sinti massiv diskriminiert. „Gesundheitsversorgung oder Arbeitslosenunterstützung sind ihnen belegbar verwehrt“, sagt GAL-Innenpolitikerin Antje Möller. Grüne und Linke fordern deshalb einen Abschiebestopp. „Mindestens für die nächsten sechs Monate wollen wir für Roma-Familien eine Duldung erreichen“, sagt Möller. „Babys und Kleinkinder dürfen nicht im Winter in eine unsichere Unterbringung abgeschoben werden.“

Der entsprechende Bürgerschaftsantrag wird vermutlich in zwei Wochen auf der Tagesordnung stehen. „Auch in Einzelfällen ist die SPD nicht bereit, den Ermessensspielraum zugunsten der Menschen zu nutzen“, sagt Möller. Der Flüchtlingsrat hatte darauf hingewiesen, dass in Baden-Württemberg sehr wohl ein Ermessensspielraum genutzt werde. Dort sieht das Innenministerium vorübergehend davon ab, Roma abzuschieben.

„Wir prüfen jeden Einzelfall rechtsstaatlich und ordnungsgemäß“, sagt Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde. Einen generellen Abschiebestopp für Roma nach Ex-Jugoslawien werde es jedoch nicht geben. Bezüglich einer Pause über die Wintermonate wolle die Innenbehörde die Beratung in der Bürgerschaft abwarten. SMV