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Archiv-Artikel

Mit Anti-Depri-App auf Platz 1

SELBSTACHTUNG Eine neue App soll Depressiven helfen, ihr Leben in den Griff zu bekommen – in Form eines digitalen Krankheitstagebuches, das für mehr Achtsamkeit sorgt

Die Nutzer können das eigene Stimmungsbild viel diskreter festhalten, und zwar überall, unabhängig von der jeweiligen Situation. Die grafische Darstellung der erfassten Daten erleichtert das Erkennen von Verhaltensmustern und Zusammenhängen

VON ANSGAR WARNER

Vom Verlust, Freude oder Trauer zu empfinden, bis zum Gefühl der Gefühllosigkeit überhaupt: Depressionen gehören zu den Klassikern bei psychischen Erkrankungen. Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums sind in Deutschland mehr als vier Millionen Menschen betroffen, rein statistisch trifft es bis zum 65. Lebensjahr jeden achten Bürger. Dazu kommen hohe Rückfallquoten und lange Wartezeiten für Therapieplätze.

Helfen könnte vielen Betroffenen demnächst eine neue Smartphone-App namens „Arya“, entwickelt von Kristina Wilms. Die 28-jährige Absolventin der alternativen Alanus-Hochschule in Alfter möchte PatientInnen mit dieser Anwendung helfen, im Rahmen einer Verhaltenstherapie ein digitales Krankheitstagebuch zu führen.

„Ich selbst lebe mit einer Depression und ich habe mir immer eine App wie Arya gewünscht“, so die studierte Betriebswirtin. Arya habe das Potenzial, das Leben vieler Menschen zu erleichtern.

„Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie bei Depression ist das Erkennen und Verstehen von Verhaltensmustern, also der Wirkzusammenhänge zwischen Gefühlen, auslösenden Situationen, Gedanken und Körperempfindungen sowie der individuellen Reaktion darauf“, erklärt Wilms.

Diese Selbstbeobachtung ist für Patienten wie auch Therapeuten sehr wichtig, denn so bekommen sie einen guten Überblick über den Verlauf der Depression. Das Problem: Bisher müssten die Patienten zu diesem Zweck Fragebögen ausfüllen, mehrmals täglich und in der Öffentlichkeit. „Das ist unpraktisch und peinlich“, so Wilms.

Mit der Smartphone-App könne man das eigene Stimmungsbild viel diskreter festhalten, und zwar überall, unabhängig von der jeweiligen Situation. „Das Handy hat man sowieso immer dabei. Wenn man sein Tagebuch vergisst, kann man sich erst Notizen machen, wenn die erlebte Situation wieder vorbei ist.“

Die selbst erhobenen Daten schickt der Benutzer direkt an den Therapeuten weiter, der sie über ein spezielles Dashboard auswertet und auf dieser Grundlage die Therapie zeitnah den Bedürfnissen anpassen kann.

Die grafische Darstellung der von den PatientInnen erfassten Daten erleichtert dabei das Erkennen von Verhaltensmustern und Zusammenhängen. Eine spezielle Alarmfunktion warnt den Therapeuten zudem, wenn sich das Stimmungsbild akut verschlechtert. Da es um sehr vertrauliche Informationen geht, werden die Daten natürlich nur verschlüsselt übertragen.

Die App wird zukünftig sogar noch weitaus mehr können – etwa die soziale Einbindung in ein Netzwerk aus Freunden und Verwandten erleichtern. Aufgrund der analysierten Verhaltensmuster soll es zudem Tipps für Aktivitäten geben, die in der jeweiligen Situation guttun könnten.

Beim Weg von der Idee zur fertigen App spielte der Zufall eine große Rolle – Wilms nahm spontan beim Wettbewerb „StartupBus Europe“ teil, ohne viel mehr als eine App-Idee zu haben. Im Rahmen des Wettbewerbs fand sich ein Team von Entwicklern zusammen, feilte am Konzept – und zählte am Ende zu den Gewinnern des Wettbewerbs. Zusätzliche Publicity für Wilms und ihren Business-Partner Purcy Marte brachte die von der Bundesregierung vergebene Auszeichnung „Kultur- und Kreativpiloten“.

„Die Geschäftsideen, die bei uns eingereicht werden, sind teilweise so neu, dass vorgefertigte Raster bei der Bewertung nicht greifen. Wir betrachten jede Unternehmung für sich und sind dabei auch besonders am Menschen hinter der Idee interessiert“, so der Wirtschaftswissenschaftler und Wettbewerbs-Initiator Christoph Backes.

Gefallen haben dürfte den Juroren wohl auch die Vision hinter die App, die auf der offiziellen Website aryaapp.co inzwischen so formuliert wird: „Wir stellen uns eine Gesellschaft vor, in der psychische Erkrankungen nicht länger ein Grund für unnötiges Leiden darstellen. Eine Gesellschaft, in der wir Anderssein mit offenen Armen empfangen und in der jeder Mensch mit Respekt und Würde behandelt wird.“

Vor allem gehe es aber auch darum, dass die von einer Depression Betroffenen wieder fähig seien, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, so Wilms. Zielgruppe der App sind neben den PatientInnen selbst natürlich auch die Therapeuten – die Macher der Arya-App treten vor allem an die jüngeren unter ihnen heran, die gerade mit der Ausbildung fertig sind. Außerdem wünscht sich das Team, dass die Krankenkassen zukünftig die Kosten für die Software übernehmen. Nach dem Ende der „Betaphase“ soll die fertig getestete App in den nächsten Monaten offiziell bei Apple erhältlich sein, später auch für Android.