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Nur mit Zement zum Zelluloid

■ RollstuhlfahrerInnen bauen sich eine Rampe ins Ufa-Kino "Geschenk für den Kinobesitzer"/Polizei zeigt sich irritiert

Mitten auf dem Berliner Kurfürstendamm sind am Wochenende 20 RollstuhlfahrerInnen zur Selbsthilfe geschritten: Ohne behördliche Genehmigung haben sie vor dem Ufa-Kino eine rund zwei Meter lange Beton-Rampe gemauert. „Wir wollen uns hier auch mal einen Film ansehen können“, erklärte Bärbel Reichelt, die Sprecherin der Gruppe. „Schließlich leben in Berlin zehntausend Rollstuhlfahrer, die seit Jahren immer wieder und überall durch Stufen behindert und vom täglichen Leben ausgeschlossen werden.“ Die Baukosten von rund 150 Mark hatten die RollstuhlfahrerInnen aus eigener Tasche bezahlt.

Veranstaltet wurde die illegale Selbsthilfe-Aktion am Samstag gegen 11 Uhr, während der Haupteinkaufszeit. Die Behinderten rollten 15 Säcke Estrich-Zement sowie einen riesigen Wasserbehälter vor das zu diesem Zeitpunkt geschlossene Kino. Ein Rollstuhlfahrer, der früher als Maurer gearbeitet hatte, mischte Wasser und Zement und gab fachliche Anweisungen an vier nichtbehinderte Freunde der Gruppe, die den Beton in eine mitgebrachte Verschalung gossen. Kurz nach Mittag war die Rampe fertig und wurde mit einem Geländer gesichert sowie einer Plastikplane abgedeckt.

Während der Bauarbeiten verteilten die RollstuhlfahrerInnen Flugblätter an Passanten und Berlin-Touristen, in denen sie auf ihre begrenzte Bewegungsmöglichkeiten hinwiesen. „Warum dürfen in Berlin immer noch Stufen und zu enge Türen gebaut werden, die uns ausschließen? Warum müssen wir unsere Rampen selber bauen?“ Zwei vorbeikommende Polizeibeamte, die nach einer Baugenehmigung fragten, beschieden die Behinderten knapp: „Das geht schon klar. Das ist ein Geschenk für den Kinobesitzer.“ Erst ein dritter Beamter wurde mißtrauisch und notierte sich die Namen der Beteiligten.

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Die Behinderten-Gruppe, die Ende letzten Monats bereits ein Geschäftshaus im Stadtteil Marienfelde mit einer heimlich gemauerten Rampe versehen hat, will sich am Montag geschlossen im Ufa-Kino einen Film mit Charles Bronson („Das Weiße im Auge“) ansehen. Im Gebäude selbst sind keine Stufen zu überwinden. Für die Zukunft ist der Bau weiterer Rampen geplant. Eine Sammlung bei Passanten brachte am Samstag 400 Mark in die Kasse der Gruppe. Bärbel Reichelt: „Damit können wir zwei weitere Rampen finanzieren. Wir werden Berlin rollstuhlgerecht gestalten.“

„Bleiben kann die da nicht“, hieß es dagegen in einer ersten Stellungnahme vom Ufa-Kino zu der Betonrampe. Denn diese Rampe sei ihrer Ansicht nach völlig ohne Überlegung gebaut worden, sie sei nicht personengerecht konstruiert. Durch einen Spalt zwischen Notausgang und Rampe, so mäkelt das Ufa-Kino, könnten Personen in der Dunkelheit stürzen. Zu der Frage, ob sich das Ufa-Kino wenigstens in Zukunft für einen behindertengerechten Aufgang einsetzen wird, hieß es ausweichend, der Hausbesitzer sei die Kindl-Brauerei und die hätte letztendlich darüber zu entscheiden.

Dieter Stäcker

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