Wein‘ dich gesund - Neue Namen, alte Leute

Das kleine Wunder der Umbenennung  ■ K O M M E N T A R E

Nun also haben auch die Nordlichter der DDR ihr Phlegma abgelegt und sind geschwind bei der Sache, wenn es gilt, sich aus der Vergangenheit zu stehlen; in Neubrandenburg beispielsweise hat sich die 'Freie Erde‘ in 'Nordkurier‘ umbenannt, schon einige Zeit vorher hatten sie ein wenig am Impressum gewürfelt. Viel mehr wird wohl nicht drin sein, und ob es ihnen nach der Währungsunion in irgendeiner Weise gedankt werden wird, daß sie neulich DEN KANZLER zu seinem 60. mit Bild auf der Seite 1 hatten, scheint mir fraglich. Na gut, sie können immerhin später sagen, sie hätten alles versucht... Mehr war ihnen eben nicht möglich.

Auch in Neustrelitz wollen sie hurtig in die neue Zeit. Der Cellist und Intendant Josef-Adolf Weindich meldete sich zu Wort und gab bekannt, daß dortige Theater - jawohl, sie haben eins! - wolle nicht mehr Friedrich-Wolf-Theater heißen. Und nach Lage der Dinge im Lande, wird dem Wunsche von Weindich sicher entsprochen werden. Daß „die Neuen“ dann möglicherweise einen Teufel tun werden, das Theater weiterhin zu (unter)stützen, soll hier nicht weiter untersucht werden - zumal alles, was dazu derzeit zu sagen wäre notwendigerweise spekulativ bleiben muß. Aber Weindich würde dann nicht mit einem Friedrich-Wolf-Theater Neustrelitz in die Pleite gehen. Und das ist ihm die Sache wert. Friedrich Wolf - in den Staub mit ihm!

Ich glaube, wir werden mit den Umbenennungen und mit den Umbewertungen noch manches Wunder erleben. Wir werden erleben, daß die einzige Karl-Marx-Straße in unseren Breiten die Karl-Marx-Straße in Neukölln sein wird; wir werden sehen, wie Hausmeister behende neue Schilder neben so manche Schultür schrauben, weil der, dessen Name vorher dort stand, ein Kommunist war; es wird uns auch nicht erspart werden, daß sie - im Zuge der politischen Erledigung von NKWD -Verbrechen und Stasi-Gaunereien - eines Tages Richard Sorge einen NKWD-Spitzel nennen und Klaus Fuchs einen Dreigroschenjungen. Und es wird kein Empörungsschrei durch das Land gehen - auch Max Hoelz ist ja inzwischen (auf Betreiben der CDU-Ortsgruppe Falkenstein/Vogtland) wieder der unbehauste Haderlump. Andere werden ihm folgen. Und dann wird es welche geben, die man großzügigerweise als unverbesserliche Träumer davonkommen läßt. Das sind die, die dafür sorgen, daß dann in hundert oder fünzig Jahren erneut Schulen, Theater und Zeitungen, Straßen und Alleen umbenannt werden...

Natürlich, das ist nur eine Möglichkeit künftiger Zeitläufte, vielleicht vollzieht sich die Geschichte ganz anders. Doch eines Umstandes bin ich mir ziemlich sicher, einen Fakt wage ich hier vorauszusagen: ein „Intendant -Weindich-Theater“ wird es in Neustrelitz nicht geben, und zwar aus verschiedenen Gründen. Einer davon ist meines Erachtens der an Biertischen von Neustrelitz und Umgebung seit Jahren umgehende „Werbe„spruch:

Wein‘ dich gesund - einmal ins Theater Neustrelitz.

Wolfgang Sabath