Wand und Boden: Pubertät und Hip und Hop
■ Kunst in Berlin jetzt: Thomas Hornemann, Michael Laube, Luc Wolff, Lorcan O'Byrne,
Eigentlich ist ja die Galerie Manfred Giesler/Georg Nothelfer im ersten Stock der Kempinski-Plaza-Passage selbst schönster „Brillo-Box-Pulp“. Gleich neben einem Laden gelegen, in dem sich der Golfer seinen obligaten zitronengelben Pullover und sein Siebenereisen kaufen kann, imponiert sie mit einem schicken Eingang im Stahl-Glas-Design, um sich im Innern als eine fensterlose, etwas angeschmuddelte weiße Kiste zu entpuppen. Ihrer offenen Decke mit der beeindruckenden Belüftungsanlage ist durchaus eine gewisse Topfkratzerästhetik eigen. „Brillo-Box-Pulp“ meint aber nicht diesen Raum, sondern die darin ausgestellten Arbeiten von Thomas Hornemann. Hornemann, der noch aus den famosen Moritzplatz-Zeiten stammt, mag offensichtlich vieles, was einem selbst gefällt. Polka-Dots zum Beispiel, die Farbe Gelb und die Frau am Meer, die einstmals auf der Gebrauchsanweisung für Kodacolor zu finden war. In der strahlenden Sonne verlangte sie Blende 22 bei 1/125 sek. Trash von derlei Art plus ein bißchen Porno Strip packt Hornemann also in ein kleines Taschenbuch, das am Ende ein schwarzweißes Kompendium kruder Zeichenkunst ergibt. Auch seine mal kleinen und mal großen Leinwände leben aus der Linie, die hier und da von dünnlasierten Farbflächen überlagert wird. Die Linie benennt Gegenstände und Figuren, sie erzählt kleine Geschichten, etwa über „unerledigte Nächte mit japanischem Holzschnitt“, während die Farbflächen dazu die Malerei improvisieren. Die Leinwände sehen auf eine sehr angenehme, doppeldeutige Art recht fertig aus.
Bis 5.4., Di.–Fr. 14–18.30, Sa. 12–16 Uhr, Uhlandstr. 181-183
Die drei roten Streifen, mittig auf dem blaßgelben Untergrund, erinnern an adidas. Doch welcher Dreierpack Streifen erinnerte nicht an adidas? An Pubertät und Hip und Hop? Hier hat aber Michael Laube kein Anliegen. Seine „Bilder“ in der Galerie vierte Etage mit ihren Mittelstreifen, Seitenstreifen, Quer- und Längsstreifen zielen auf eine andere Ordnung. Auf das Eingrenzen, Begrenzen, Aufteilen und Einteilen der Bildfläche, die vor der Wand zu schweben scheint.
Überhaupt charakterisiert ein merkwürdiges Oszillieren die Tafeln. Zwischen Bild und Wand, zwischen Bildvorder- und Bildhintergrund, zwischen Streifen und Fläche oder zwischen Blau und Blau, also zwischen den Farben. Der Trick liegt in Laubes Technik. Mit starken MDF-Platten hebt der ehemalige Meisterschüler von Georg Baselitz eine darauf aufgebrachte Acrylglasplatte von der Wand. Diese Platte bemalt er mit Acrylfarben. Von hinten wie von vorn. Wenn die Tafel ganz matt erscheint, ist sie zusätzlich von hinten angeschliffen, die Farben kommen in sprödem Pastell, rosafarben, bläulich, gelblich. Selten glänzt die Platte hochpoliert, dann aber auch mal in Knallorange. Die wenigen Millimeter Acrylglas reichen, eine merkwürdige Hybridform zwischen Hinterglasmalerei und Intarsienarbeit zu evozieren, die das genaue Hinschauen erzwingt. Und genau hier hat Laube sein Anliegen.
Bis 29.3., Di.–Fr. 15–19, Sa. 14–17 Uhr, Bregenzer Str. 10
Luc Wolffs ortsspezifische „Parkhaus“-Installation vermittelt zunächst das Gefühl, daß man die wichtigsten Eingriffe in der Galerie im Parkhaus bestimmt übersieht. Was man nicht übersehen kann, wirkt wie zwischen Hochzeits- und Trauerzimmer angesiedelt. Denn der in Berlin lebende Luxemburger Künstler hat die Wände des großen Eingangsraumes rundherum mit einer weißen Tüllgardine verhüllt. Und von diesem sparsam, wenngleich festlich dekorierten Raum steht eine Tür in das angrenzende Erkerzimmer offen. Dieser Durchgang ist mit Ziersträuchern gefüllt, wie man sie auch im nahe gelegenen Treptower Park finden könnte. Schneeball heißt eines dieser Gewächse, die zu einem kleinen Wäldchen gruppiert sind, oder Weigela purpurea und Buxus sempervirens. Die Mandelbäumchen blühen schon rosarot. Insoweit ist die Idee der Installation dann wieder offensichtlich: Grenzen verdeutlichen und auch verschieben, zwischen innen aus außen, den Park ins Haus holen. Aber wieviel Natur macht einen Raum eigentlich wohnlich? Und wann werden behagliche Schleier und frühlingshafte Blüten eher entsetzlich?
Bis 14.3., Mi.–Sa. 15–19 Uhr, Puschkinallee 5
Die Leute, die Lorcan O'Byrne malt, die kennt er gut, sehr gut sogar. Vielleicht ist es das, was seine Porträts in der museumsakademie berlin so nahe an die Familienfotos von Richard Billingham rückt. Vielleicht ist es der sehr schnelle und meistenteils schiefe Malgestus, der an Billinghams verwackelte Aufnahmen von Ray's a Laugh denken läßt. Vielleicht ist es der Sachverhalt, daß Lorcan O'Byrne tatsächlich nach Schnappschüssen malt. Wahrscheinlich ergibt alles zusammen diesen Realismus, den man mit dem Titel von E.P. Thompsons berühmtem Buch „The Making of the English Working Class“ versehen möchte. Was macht die englische oder, im Falle von O'Byrne, die irische Arbeiterklasse aus? Sie sitzt zum Beispiel viel vor dem Fernseher. O'Byrne malt das als das Doppelporträt „Brothers“. Er selbst, der immer ein bißchen wie Phil Collins aussieht, sitzt im schwarzen T-Shirt neben seinem Bruder Paul, einem Klotz im weißen T-Shirt. Beide schauen sie haarscharf am Betrachter vorbei, aus dem Bild heraus, in die Welt, die immer ein Bild ist. Jedenfalls für O'Byrne, der eine Menge von Bildern versteht. Das merkt man den dünn hingepinselten Gesichtern an, wie etwa dem großformatigen Porträt seines Vater Joe, der sein tiefrotes Gesicht wie eine Maske vor sich zu halten scheint, obwohl er nur die Finger in die Ohren stopft. Und wenn der viereckige „Paul“ 1997 in einem ebenso viereckigen Polstersessel sitzt, dann ist plötzlich ebensoviel Hockney wie Matisse im Spiel. Trotzdem bleibt das Spiel aber „People I know“. Unbürgerlich, ein bißchen grotesk, großartig.
Bis 15.3., Di.–Sa. 14–19 Uhr, Rosenthaler Str. 39
Brigitte Werneburg
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