: Ein gigantisches Knäuel ohne Zähne
■ „Das Geheimnis der Irma Vep“im Schmidt
Das Grauen lauert hinter dem Kamin. Irma Vep lebt! Lord Hillcrest und Haushälterin Jane halten sie auf Gut Mandacrest gefangen. Als Lady Enid die schreckliche Wahrheit erfährt, greift sie entschlossen zum Schlüsselbund. Doch kaum ist das Opfer aus dem Verlies befreit, schwingt es schon das Hackebeil. Irma verwandelt sich in Jane, Gärtner Nicodemus ist ein Werwolf und Lady Enid ein Vampir.
Das Geheimnis der Irma Vep, das erfolgreichste Theaterstück des amerikanischen Autors Charles Ludlam, gibt sich gar nicht die Mühe, die Verwicklungen aufzuklären. Der Text ist ein gigantisches Knäuel aus Absurditäten, Zitaten und Anspielungen. Jede Szene läßt die Handlung weiter auseinanderlaufen, bringt neue, völlig unerwartete Wendungen ins Spiel und läßt angefangene Erzählstränge links liegen. Was zu Anfang wie eine Parodie von Hitchcocks Rebekka anmutet, entpuppt sich als hintergründige Ansammlung von Seitenhieben auf Klassiker von Macbeth bis zum Hund von Baskerville.
Für das Schmidt Theater war es am Donnerstag des Guten zuviel. Die Zuschauer waren überfordert mit der Masse an halb erahnten und nicht erklärten Katastrophen, die das Stück über die Figuren hereinbrechen läßt.
Dabei war die Gleichung ganz einfach geplant. Vier Männer + vier Frauen = acht Rollen für zwei Schauspieler. Theaterchef Corny Littmann und Bernhard Hofmann bewiesen tatsächlich, daß sie sich schnell umziehen können. Doch weder dieses Talent noch der punktgenau eingesetzte Gruselsound von Martin Lingnau konnte die neue Produktion retten. Die Komik hatte im Gegensatz zu Lady Enid keine Zähne, und nur in Andeutungen wurde klar, daß sie auch schwärzer hätte ausfallen können.
Regisseur Nico Rabenald ließ kaum etwas von dem ahnen, was Ludlam, dem 1987 verstorbenen Kopf des New Yorker Theatre of the Ridiculous, den Ruf einer intellektuellen Tunte eingebracht haben soll. Vielleicht mußte er einen Spagat zwischen den Ansprüchen des Textes und den Erwartungen des Publikums durchführen. Die Inszenierung im Schmidt Theater ist jedenfalls genau in der Mitte gelandet: zu platt und zu kompliziert gleichzeitig. Barbora Paluskova
Noch bis 27. April, Schmidt
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