: I N T E R V I E W „...weil wir zum terroristischen Umfeld gehören“
Die Pressegruppe der Bürgerinitiativen im Raum Schwandorf hat gestern nochmals zu den Polizeiaktionen am Blockade–Wochenende Stellung genommen und die „ungerechtfertigte gewaltvolle polizeiliche Machtdemonstration“ scharf verurteilt. Insgesamt wurden mehr als 500 AKW–Gegner/ innen festgenommen. Gegen die überfallartigen Hausdurchsuchungen soll mit juristischen Mitteln vorgegangen werden. Die taz sprach mit einem Berliner AKW–Gegner, der sich in einem der durchsuchten Häuser befand. taz: Thomas Müller*, du warst in einem der beiden Häuser in Burglengenfeld und Ponholz, die am Samstag von einem Sondereinsatzkommando der Polizei gestürmt worden sind... Thomas: In Ponholz waren auch BKA– Beamte im Einsatz. Kannst du uns berichten, was da abgelaufen ist? Es war vormittags gegen ca. 11 Uhr. Wir waren gerade mit unserem Frühstück fertig. Die meisten von uns - wir waren 19 Personen im Haus - saßen in der Küche und im angrenzenden Wohnraum, als wir plötzlich ein ziemlich lautes Getrampel auf der Treppe hörten. Wir dachten erst an Bauarbeiter oder sowas, als mit einem Mal die Türe aufsprang und es stürmten mehrere SEKler im Kampfanzug mit entsicherter Pistole in den Raum. Die verteilten sich dann sternförmig, hielten die Pistole im Anschlag und schrien „alles hinlegen, alles hinlegen, Arme auf den Rücken!“. Wer das nicht sofort gemacht hat, wurde dann runtergetreten oder mit dem Knüppel runtergedrückt. Wie habt ihr euch dann verhalten? Wir haben uns natürlich hingelegt. Du konntest da überhaupt nichts anders machen. Wir waren alle furchtbar erschrocken, und ich glaube, wenn da einer von uns durchgedreht wäre, die hätten abgedrückt. Wie ging das weiter? Wir lagen erstmal so fünf Minuten lang still auf der Erde, die Pistolen waren auf uns gerichtet. Nachdem wir den ersten Schreck überwunden hatten, fragte einer von uns, was denn überhaupt los sei und was das zu bedeuten hätte. Der wurde dann sofort getreten. „Halt die Schnauze!“ „Halts Maul“ waren die einzigen Antworten. „Ruhe hier!“ und „Still liegenbleiben!“ hieß es, sobald sich nur einer von uns bewegte, und sofort gabs ein paar Stöße in die Rippen oder aufs Kreuz. Wir durften nicht sprechen und uns nicht bewegen und lagen so etwa eine Stunde auf dem Fußboden. Eine Frau, die sich im Bad befunden hatte, lag auf dem kalten Steinfußboden, nur mit einer Unterhose und einem T–Shirt bekleidet. Sie durfte sich keine Hose anziehen. Erst nach einer Stunde lockerte sich die Situation etwas, weil dann begonnen wurde, einzelne Personen abzufotografieren. Die durften dann aufstehen und sitzenbleiben. Das geschah alles noch in der Wohnung? Ja, es dauerte insgesamt etwa drei Stunden bis dann der letzte von uns abgeführt wurde. Wir sind dann in die Polizei–Wannen verfrachtet und nach Regensburg gebracht worden. In Regensburg wurden dann nur noch die Personalien festgestellt. Habt ihr denn nicht mal heftig protestiert gegen diese Behandlung? Das war einfach nicht möglich. Bei jedem Wort von uns gabs Tritte. Es durfte auch niemand auf die Toilette gehen. „Freß doch deine Scheiße selber“ hieß es dann. Gab es denn keinen Einsatzleiter oder SEKler, der die Aktion begründet hat? Es wurde keinerlei Begründung gegeben. Erst später, als wir in der Wanne saßen, hat uns der örtliche Polizist gesagt, daß man uns festgenommen hat, weil wir zum „terroristischen Umfeld“ gehören. Wir sind einzeln aus der Wohnung heraus abgeführt worden zu den Wannen, wo man uns dann Plastikhandschellen angelegt hat. Auf der Straße mußten wir unsere Schuhe ausziehen und uns teilweise entkleiden. Später im Fernsehen haben wir dann nochmal gehört, daß das eine Aktion gegen den „Terrorismus“ war. Wurde die Wohnung auch durchsucht und Gegenstände beschlagnahmt? Ja, die haben die Wohnung durchwühlt, die haben die Türe eingetreten, die haben eine Gasmaske beschlagnahmt, Sturmhauben und einen Schienenbeinschützer. Welche juristischen Schritte habt ihr jetzt unternommen? Wir haben uns mit einer Anwältin besprochen, aber es sieht ziemlich hoffnungslos aus, da auf juristischer Ebene etwas zu machen. Könnt ihr euch denn erklären, weshalb gerade diese beiden Häuser durchsucht worden sind? Das weiß ich nicht. Wir sind ganz normale AKW–Gegner und sind halt zu den Demonstrationen nach Wackersdorf gefahren. Wir kannten uns nicht einmal gegenseitig, weil man ja erst vor Ort seine Schlafplätze zugewiesen bekommt. Die Besitzerin hat die Schlafplätze zur Verfügung gestellt und es war eigentlich zufällig, daß wir gerade in diesem Haus waren. Interview: Manfred Kriener * Name von der Redaktion geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen