: Statistik–Politik
■ Wie das Statistische Bundesamt Wahlkampf macht
Objektiv und neutral hat die amtliche Statistik zu sein, wird der Präsident des Statistischen Bundesamtes nicht müde zu betonen. So klingen dann die kurzen Nachrichten auch, die uns sein Amt seit Tagen via Tagesschau in die Wohnzimmer flimmern läßt: Mal prognostiziert Statistik–Präsident Hölder das Aussterben des Deutschen, mal beglückt er uns mit Meldungen vom Rekordüberschuß des bundesdeutschen Außenhandels oder von den gesunkenen Lebenshaltungskosten. Nun wird man kaum sagen können, daß diese Zahlen erlogen sind - nur sind sie eben auch nicht die ganze Wahrheit und ein Zufall schon gar nicht. Daß diese Zahlen gerade jetzt veröffentlicht werden, mag man mit dem neuen Jahr erklären. Wird da nicht immer Bilanz gezogen? Was jetzt jedoch bilanziert wird, hat weniger mit der Jahreswende als mit einer ganz anderen Wende zu tun, zu deren Fortbestehen das dem Bundesinnenminister unterstehende Bundesamt jetzt auf seine Weise beiträgt. Denn vorgelegt werden nicht etwa die Statistiken, um wieviele Sozialhilfeempfänger reicher sich die Bundesrepublik 1986 schätzen darf, oder wieviel Tausende sich auf den bundesdeutschen Straßen wieder zu Tode oder ins Krankenhaus rasen durften. Auch um wieviel Prozent die Rente von Frau Müller nicht, die Mieten von Firma Gemeinnütz aber doch gestiegen sind, werden wir erst in einigen Wochen erfahren. Nur im Wahljahr hat man Zahlen schon in der ersten Januar–Woche vorliegen. Sicher kein Zufall, daß damit die konservative Regierungspolitik in den schönsten Smoking gekleidet wird. Es gibt die einfache Lüge, die gemeine Lüge und die Statistik, heißt eine Volksweisheit. Es gibt Politik, subtile Politik und das Statistische Bundesamt. Vera Gaserow
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