: Neuer Putschversuch in Manila gescheitert
■ Angriff von Militärrebellen auf Luftwaffenstützpunkt und Polizeicamp vereitelt / Bürgerbewegung liefert Straßenkämpfe mit Aquino–Anhängern
Aus Manila Nina Boschmann
Zum dritten Mal seit dem Amtsantritt von Corazon Aquino ist auf den Philippinen in der Nacht zum Dienstag ein bizarrer Putschversuch rebellierender Militäreinheiten gescheitert. Nur wenige Stunden, nachdem die Präsidentin am Montag gegen den Willen der Streitkräfte eine umstrittene Demonstration vor dem Regierungspalast genehmigt hatte, versuchten mehrere hundert bewaffnete Rebellen aus Armee und Luftwaffe um Mitternacht, militärische Einrichtungen und Fernsehsender im Umkreis der Hauptstadt zu erobern, was ihnen jedoch mit einer Ausnahme nicht gelang. Nach heftigen Gefechten auf dem Luftwaffenstützpunkt Villamor, bei denen ein Soldat getötet und 16 verletzt wurden, wurden dort in den frühen Morgenstunden alle 52 Angreifer zum Aufgeben gezwungen. Die Übernahme von Camp Crame, dem Hauptquartier der paramilitärischen Polizei in Manila und des staatlichen Fernsehsenders Channel 4 durch mehrere hundert Rebellen scheiterte ebenfalls, da beide Gebäude gut bewacht waren, so daß die Putschisten schließlich zur privaten Fernsehstation Channel 7 im Vorort Quezon City weiterzogen, in dem die wenigen Angestellten der Nachtschicht ohne Blutvergießen überwältigt wurden. Am Vormittag bot sich vor der TV–Station ein bizarres Bild. Tausende von Anhängern des gestürzten Diktators Ferdinand Marcos versammelten sich vor dem besetzten Gebäude, reichten den rebellierenden Soldaten Essen und Plakate aufs Dach und versicherten sie ihrer Unterstützung. „Aquino fahr zur Hölle! Marcos wieder an die Macht!“ hieß die gängige Parole, die von den Versammelten mit Argumenten wie Fortsetzung auf Seite 6 „Mit allen redet Aquino, bloß mit uns nicht“ oder „Marcos ist gut, weil er die Philippinos kennt“, verteidigt wurde. Fahnen wurden verbrannt und das alte Victory– Zeichen hochgehalten. Gewöhnlich gut informierte Personen aus dem Militär bestätigten gegenüber der taz, daß die Putschisten einer Gruppe namens „El Diablo“ angehörten, die in den Operettenputsch im Manila– Hotel verwickelt war. Auf der Stadtautobahn lieferten sich die Marcos–Anhänger, sogenannte Loyalisten, stundenlange Straßenschlachten mit den gelben Aquino–Anhängern. Steine flogen, Autos wurden umgekippt und die Fahnen der jeweils anderen Seite in Brand gesteckt, bis die Polizei am Nachmittag das Gebiet abriegelte.Während sowohl Präsidentin Aquino als auch Generalstabschef Ramos bereits am Morgen erklärten, die Situation sei militärisch unter Kontrolle, kann über die politischen Hintergründe der Affaire bislang nur spekuliert werden. Sowohl das Linksbündnis „Bayan“ als auch Generalstabschef Ramos hatten in den ver gangenen Tagen mehrfach in der Öffentlichkeit Puschpläne enthüllt, über deren tatsächliche Existenz es aber wenig Belege gab. Der Linken zufolge existiert ein vom US–Geheimdienst und der philippinischen Militärführung unterstützter Plan Noel (d.i. no elections), der die systematische Schwächung der Linken und Liberalen innerhalb und außerhalb der Regierung zum Ziel hat. General Ramos seinerseits hat sich stets von politischen Ambitionen distanziert, und für seine Verwicklung in das gegenwärtige Komplott gibt es keine Indizien. Gemäß seiner Version handelt es sich bei den Möchtegern–Putschi sten um „in die Irre geleitete Elemente unter Führung von Marcos– Loyalisten“. Die zum Teil blutjungen Soldaten, die sich gestern auf den Dächern des Channel 7 verschanzt hielten, waren durch blaue Stirnbänder als Mitglieder einer Brüderschaft namens „Die Wächter“ zu identifzieren. „Die Wächter“, die mit der Gruppe „El Diablo“ in engem Zusammenhang stehen, sind mit den Kräften um den früheren Sicherheitschef des gefeuerten Verteidigungsministers Enrile teilweise identisch. Der betreffende Offizier, Gregorio Honasan, wurde im vergangenen November nach Enriles Putschversuch versetzt. Der Anführer der Rebellensoldaten, Colonel Oscar Canlas, leugnete gestern mittag in einem ersten Statement jedoch jede Verbindung zu den Marcos–Anhängern und erklärte, seine Gruppe wolle nur das Land einen und aus den Klauen des Kommunismus befreien. Parallel dazu verkündete der Sprecher einer Marcos–loyalen „Bürgerbewegung für die Respektierung der Verfassung von 1973“ (der Marcosschen Kriegsrechtsverfassung) vor dem Sender, die Aktion sei nur der Beginn einer großen antikommunistischen Kampagne.
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